abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
machte kollektiv einen Schritt rückwärts und verstummte. Oma Berti stellte sich neben mich und spähte in die Kiste. Sie rümpfte die Nase und gab dem Deckel mit der Spitze ihres Gehstocks einen Schubs. Der Deckel knallte zu. Ein paar Gesichter in der Runde zeigten erste Anzeichen von ungesundem Teint in Richtung blassgelb bis grün.
Inzwischen waren mehr und mehr Leute aus den anderen Teams hinzugekommen, und der Kreis um die Schatzkiste herum wurde immer größer. Berti lud die Signalpistole durch und schoss die rote Leuchtkugel ab. Jemand aus einem der anderen Teams hatte schnell begriffen, dass es sich hier nicht um einen Scherz handelte und feuerte ebenfalls seine rote Leuchtkugel in den Himmel. Nach wenigen Minuten, in denen niemand auch nur ein Wort sagte, hörten wir aus der Ferne das Martinshorn von Onkel Wallas Polizeiauto. Kurz darauf gesellte sich das Tatütata eines Rettungswagens dazu.
»Alle Mann zurück auf die Straße«, kommandierte Oma Berti und schob seufzend hinterher, »wenn hier Fußspuren waren, sind die eh alle hin.« Sie zeigte mit ihrem Gehstock auf unsere Maltherapeutin, die immer noch mit offenem Mund dastand. Nike hatte sich unter einen Haselnussstrauch geflüchtet und gab die beleidigte Leberwurst.
»Frau Schröder-Fröse, nehmen Se Ihren Köter und bringen Se die Leute hier weg. Ich sicher mit Maggie den Fund. Mia und Carmen, ihr geht mit anne Straße und sacht dem Wachtmeister, wo wir sind. Is noch einer hier mit’ner Leuchtpistole?«
Zwei Männer traten vor. Ich erkannte einen von ihnen wieder. Herr Greben aus der »Krückentruppe« hatte letztens bei Mister Pling in die Harfe geflennt, als er vom Verlust seines Arbeitsplatzes erzählt hatte – immerhin Managementebene eines Chemiekonzerns.
»In zwei, drei Minuten feuert ihr nochma Rot. Is dat klar? Damit die uns finden.«
Die beiden Männer nickten und gingen los.
Die Forelle klappte endlich ihren Mund zu und zerrte ihren Hund unter dem Gebüsch hervor. Auch die anderen setzten sich langsam in Bewegung. Ein Studienrat aus der Sucht-Truppe konnte nicht an sich halten und sagte: »Hören Sie mal, Frau Blaschke, wieso bestimmen Sie hier eigentlich, was wir zu tun haben?«
»Wollze mitte Omma von ein Kriminalkommissar diskutiern? Ich weiss, wat ich tu. Wat is Ihr Fachgebiet? Rellegion und Viagra?«
Der Studienrat verzog sich murrend. Ich hätte Oma Berti knutschen können.
Als endlich alle außer Sicht- und Hörweite waren, seufzte Berti: »So, gezz wollen wir uns mal die Sache genauer angucken.«
Bevor ich ihr widersprechen konnte, ging sie vor der Kiste auf die Knie und nahm ihren Stock zu Hilfe, um den Deckel noch einmal hochzuheben.
»Fingerabdrücke sind jetzt sowieso jede Menge dran«, sagte ich und vermied es, einen Blick hineinzuwerfen. Ich starrte in den Wald und sah, wie Fox Mulder torkelnd hinter dem Stamm einer mächtigen Kastanie verschwand. Von wegen: »Maggie, ich weiß nicht, ob deine Nerven es aushalten, aber wenn du interessiert bist – ich habe einen Film mit einer echten Alien-Autopsie.« Gar nix hast du!
Zur Strafe stieg mir der Leichengeruch wieder in die Nase, und sechs Brauseengel und ein Liter Apfelschorle meldeten an, dass sie mich gerne verlassen wollten.
»Guck ma hier, da siehsse genau, dat dat mit einem Schlach abgetrennt is. Kein gezackter Rand. Und die is noch nich richtich verwest, nur son bissken gammelich. Kann noch nich lange hier liegen.«
»Ja, Berti, alles hochinteressant. Und sagt dir die Hand auch, von wem sie vermisst wird?«
Ich ging zwei Schritte zur Seite.
»Mach dich nich lustig, Maggie. Dat wüsst ich auch gern. Et is eine linke Hand … sehr gepflegte Fingernägel, vermutlich männlich …«, sie nahm ihr Jägerhütchen vom Kopf, drückte es sich an die Brust und schwieg für einen Moment. Dann seufzte sie und sagte: »Schade, dat wir morgen schon nach Hause fahrn.«
»Ja, jammerschade. Ich weiß gar nicht, wie ich einer abgehackten Hand intellektuell widerstehen soll.«
»Wat hällze davon – wir verlängern?!«
Ich half ihr, auf die Füße zu kommen, und gab dem Deckel schnell einen Schubs mit meinem Fuß. »Nur über meine Leiche.«
»Spielverderberin. Gezz, wo et hier spannend wird.«
»Mir egal, wem die Hand gehört. Der Besitzer wird nicht mehr gut aussehen, wenn er gefunden wird.«
»Wenn’se den finden.«
»Vergiss nicht, dein Kiosk wartet. Du wirst gebraucht.«
»Na ja, eine Woche mehr oder weniger …«
»Berti – ohne mich!«
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