abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
ich wieder im Geschäft. Auf dem Weg nach oben. Auf dem Weg zum Deutschen Fernsehpreis. Ich hätte mich aus schierer Freude über das Angebot, das der alte Reitmeier mir gemacht hatte, wie ein Welpe mal kurz einpinkeln können. Eines meiner ehemaligen Herrchen hatte gepfiffen, und ich wedelte mit dem Schwanz. Fernsehland hatte mich wieder. Ich hatte einen richtigen Job: Producerin einer Comedy-Serie. Ich würde endlich wieder da sein, wo ich hingehörte, in Köln, und in der Handtasche eine goldene Mastercard – gedeckt!
Das alles hätte ich Oma Berti gerne beim Frühstück erzählt, aber das hatte ich ja 1a verschlafen.
Ich war nur ein wenig außer Atem, als ich die Kreuzkapelle auf dem Hügel erreichte. Von hier aus hatte man eine einmalig schöne Aussicht auf das Tal. Von hier aus sah sogar Bad Camberg aus wie ein Postkartenmotiv. Die ersten Apfelbäume auf den Streuobstwiesen blühten. Ein paar Amseln spielten fangen. In einem Rapsfeld, ein paar Meter unterhalb der Kirche, sah ich zwei lange, pelzige Ohren auftauchen. Über dem Feld kreiste ein Raubvogel – ich war wohl nicht die Einzige, die die Ohren gesehen hatte.
Die Sonne hatte die letzten Regenwolken verscheucht, und es versprach, ein wunderbarer Tag zu werden. Ich war mir sicher, Oma Berti zu finden und sogar die Schnitzelsause gebührend genießen zu können. Und morgen würden wir von Winnie abgeholt, und am Dienstag säße ich im 1.-Klasse-Abteil des ICE nach Köln. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Klappe, Szene gestorben, Ende, Musik und Abspann.
Der Raubvogel schoss mit Höchstgeschwindigkeit aus dem Himmel auf die Stelle zu, wo eben noch die Ohren zu sehen gewesen waren, aber er verpasste den Feldhasen um Haaresbreite.
Ich zündete mir eine Gauloises an und lehnte mich auf einer Bank zurück. Auf dem ganzen Weg hinauf war mir keine Menschenseele begegnet, kein versprengtes Trüppchen aus der Polka-Fraktion, keines der fünf Teams auf der Suche nach der Schatzkiste. Ich war kurz davor, mich wohlzufühlen und beschloss, den Weg durch den Wald ins Dombachtal und weiter in Richtung Berkelbacher Hof zu nehmen. Meine Kippe drückte ich unter der Bank aus und traute meinen Augen nicht: Unter der Bank lachte mich einer von Oma Bertis Brauseengeln an, die sie in ihrem Kiosk zu Weihnachten verkauft hatte. Ich schaute mich erschrocken um. Woher kam der? Woher wusste sie, dass ich hier meine Zigarettenpause einlegen würde? Wieso fragte ich überhaupt? Winnie war ihr Enkel, und was ich an Winnie am meisten hasste, war – neben seinem guten Aussehen, das mir den Blutdruck in die Höhe trieb – seine beängstigende Fähigkeit, in die Köpfe anderer Leute gucken zu können. Besonders in meinen. Oma Blaschke hatte ihr hellseherisches Talent offensichtlich an ihren Enkel vererbt.
Der kleine Brauseengel wies mit seiner Trompete nach links, auf den Wanderweg, der in Richtung Schwickershausen am Friedhof vorbeiführte. Ich steckte den Brauseengel in den Mund und wanderte weiter. Lila Prickelbrause ist zwar kein ernst zu nehmender Frühstücksersatz, aber besser als nichts. Während ich den Weg durch den Wald nahm, spülte ich mit Apfelschorle nach. Am Friedhof, neben dem Standbild einer wundertätigen Maria, die angeblich Wünsche erfüllen konnte, entdeckte ich den nächsten Brauseengel. Ich nickte Maria zu, meinetwegen konnte sie sich heute freinehmen.
An jeder entscheidenden Kreuzung erwarteten mich die kleinen Wegweiser. Nach einer Stunde kreuz und quer durch den Camberger Stadtwald hörte ich aufgeregte Stimmen. Ich schlug mich durchs Unterholz und erkannte die Stimmen von Mia Hoffstiepel, die jubelte, und Carmen, die We are the Champions anstimmte. Applaus war zu hören und dann ein paar knappe Anweisungen von Oma Berti. Ich rannte auf die Lichtung zu und sah Berti in grünen Wanderhosen, rot-weiß kariertem Baumwollhemd, ein flottes Jägerhütchen auf dem Kopf. Die eine Hand hatte sie in die Hüfte gestemmt, und mit ihrem Gehstock in der anderen dirigierte sie zwei Männer aus der Diätgruppe, die sich ächzend in eine Grube hinunterbeugten. Sie waren schon dabei, den Schatz zu heben.
Ein aufgeregt bellender Golden Retriever tauchte rechts von mir aus dem Unterholz auf, gefolgt von der Forelle in feinstem Wanderoutfit. Unsere Maltherapeutin umarmte jeden einzelnen in der Gruppe, bis auf Oma Berti, die sich derlei gefühlsduseligen Schnickschnack schon bei der ersten Begegnung strikt verbeten hatte.
Berti sah mich und
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