abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
auch die anderen Herrschaften bitten weiterzugehen. Es gibt hier nichts zu sehen.« Onkel Walla war aufgebracht. Wer weiß, was er in der letzten halben Stunde an guten Ratschlägen schon zu hören bekommen hatte.
Er nahm seine Mütze ab und wischte sich mit dem Uniformärmel den Schweiß vom hochroten Kopf. Oma Berti ging ganz nah an den Wachtmeister heran und flüsterte: »Mach ma erss dat Wasser aus, dat dat mit dem Schäumen aufhört. Und dann wartesse bis morgen früh, bis dat der Schaum sich aufgelöst hat. Und dann gehsse mitte Bodenflitsche ganz vorsichtich die Becken durch und gut is. Hasse verstanden? Die Stiefmütterkes kannze sowieso vergessen.«
Onkel Walla schloss ergeben die Augen, aber offensichtlich erkannte er einen guten Rat, wenn er ihn hörte, und rief: »Wasser stopp!«
»Mein Name is’ übrigens Blaschke. Berti Blaschke. Wenn noch wat sein sollte … Los Mädels, auf geht’s.«
Wir schlängelten uns durch die Menge. Ich sah Rita am Rand der Menschentraube aufgeregt neben Fox Mulder auf und ab hüpfen. Wir machten uns schnell davon, dem Trollinger mit Schmalzstulle entgegen.
04
»Wollten Sie zu mir?«
»Was?!«
Ich war vollauf damit beschäftigt, meinen Weltrekord im 18-Kilometer-Sprint zu brechen und rannte eben durch die Eingangshalle der Kurklinik, als Dr. Müller mich ansprach. 17,7 Kilometer lagen noch vor mir, und ich hatte leider keine Zeit, mit dem spinnerten Orthopäden über meine Füße zu plaudern. Ganz im Gegenteil:Ich musste Oma Berti und die Diätgruppe finden.
Es war 9.13 Uhr, und ich hatte verschlafen. Die Schnitzeljagd hatte bereits um 8.30 Uhr begonnen. Eigentlich musste ich Dr. Müller dankbar sein, denn seine Frage bremste mich vor der Tür, die sich an diesem Morgen ausnahmsweise nicht automatisch öffnete. Hätte er mich nicht angesprochen, wäre ich, wie eine der zahllosen Tauben, vor das Panzerglas geklatscht.
»Welche Richtung … Diätgruppe …?«, rief ich der Dame am Empfang zu.
»Rechts rauf, vermutlich Kreuzkapelle«, kam prompt die Antwort.
»Links rauf. Die Diäter sind links rauf«, ließ sich Dr. Müller vernehmen. Er süppelte an seinem Rooibostee und guckte meine Wanderschuhe an. Bevor er etwas sagen konnte, schritt die Empfangsdame ein: »Rechts rauf. Glaubet Se mir.« Sie drückte auf einen der vielen Knöpfe am Empfangstresen und die Tür glitt auf. »Isch könnt Ihne aach saache, wo dass die Kischt verschteckt isch. Jedes Jahr deselbe Kischt un deselbe Platz …«
»Ja und? Wo?«
»Das wäre zu kompliziert, Frau Abendroth, wenn wir Ihnen das jetzt erklären wollten«, sagte Dr. Müller. »Es kommt nämlich ganz darauf an, von welcher Seite … und wir wollen doch nicht pfuschen, oder?«
»Danke, hab’ verstanden«, keuchte ich, schon halb durch die Tür.
Ich spurtete die Straße bergauf bis zur nächsten Kreuzung. Geradeaus ging es in Richtung Kreuzkapelle, rechts zum Reiterhof. Oma Berti würde mich umbringen, wenn ich ihr diesen Tag versaute, aber wahrscheinlich hatte ich das schon längst getan. Ausgerechnet heute zu verschlafen! Hoffentlich konnte ich die beste aller Entschuldigungen noch loswerden, bevor mich ein gezielter Hieb mit ihrem Gehstock dahinraffen würde.
Ich widerstand dem dringenden Wunsch, mir eine Zigarette anzuzünden, auf der Stelle kehrt zu machen, durch den Kurpark zu schlendern und den Rest des Tages im Café Amthof zu verbringen. Wenig enthusiastisch trabte ich weiter in Richtung Kreuzkapelle. Keine Menschenseele war zu sehen, als ich die Landstraße überquerte, die Schlaganfallklinik links liegen ließ und auf die Allee zusteuerte, um dann durch die Wiesen und Felder rauf zur kleinen Wallfahrtskirche zu gelangen.
Ich hätte eben gestern Nacht schneller einschlafen müssen. Aber auch gute Nachrichten können einem den Schlaf rauben.
Das Schnitzeljagdplanungsteam war an besagtem Abend aus dem Klosterkeller gesättigt, zufrieden und mit einem genialen Plan für die Schatzsuche zurückgekehrt. Man muss nur genug Trollinger trinken. Ich war auch sofort brav auf mein Zimmer gegangen, um das Telefon anzubeten und war erhört worden. Rasmus Reitmeier hatte mich tatsächlich zurückgerufen. Drei Sätze von ihm und ich war wieder Top of the Pops! So, wie die Dinge jetzt lagen, würde ich in den nächsten Wochen und Monaten, vielleicht sogar Jahren, überhaupt keinen Gedanken mehr an das ungeliebte Souterrain und meinen Zwangsaufenthalt in Bochum verschwenden müssen. Denn um exakt 23 Uhr und 28 Minuten war
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