abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
noch nicht einmal, wer morgen dem Rettich und mir auf der anderen Seite des Konferenztisches gegenübersitzen wird.
Meine innere Stimme öffnete den Mund, aber ich fuhr ihr dazwischen: Ich muss mit dem Schlimmsten rechnen. Dem Schlimmsten plus zwei Praktikanten! Wenn ich eins von den Kommentatoren bei Eurosport gelernt habe, meine Liebe, dann das: Matches werden im Kopf gewonnen, sonst verliert man auf dem Platz. Meine vernünftige innere Stimme hatte Schweißperlen auf der Stirn und nickte erschöpft.
Na also! Geht doch.
08
Völlig erschöpft von meinem Maggie-Spezial-Mentalcoaching kehrte ich ins Haus nach Stiepel zurück.
Hier das Rezept zum Nachkochen:
Man nehme
99 Euro für ein weißes Hemd von René Lezard
198 Euro für ein Paar Stiefel von Vic Matié (Sonderangebot!)
72 Euro für das Bahnticket 1. Klasse nach Köln
1,80 Euro für einen Kreislauf unterstützenden Espresso im Café Madrid (ohne Kai-Uwe Hasselbrink in die Arme zu laufen – wichtig!)
Nachwürzen mit: 36 Euro für ein luxuriöses Notizbuch von Moleskine.
Stopfe alles in pompös bedruckte Plastiktüten, trage sie stolz nach Hause und beginne eine Modenschau vor dem Spiegel.
Noch ein Tipp für Neueinsteiger: Stiefel unter 100 Euro lösen in so einer emotional geladenen Situation mitunter Aschenputtelneurosen aus, und das stört nachhaltig den erwünschten Effekt.
Zu meiner grenzenlosen Erleichterung hatte es das neue Liebespaar des Jahres vorgezogen, die Nacht anderswo zu verbringen. Vielleicht schrubbten die beiden den Fußboden in Winnies Wohnung, oder sie waren bereits dabei, sich Trauringe auszusuchen.
Ich ging in die Küche und machte mir einen Espresso, um vom Kaufrausch runterzukommen. Ich schaute mich um und war froh, dass ich mich bald von diesem Haus verabschieden konnte. Ich war hier sowieso nichts weiter als ein geduldeter Housesitter, der es fertiggebracht hatte, zum Einstand das Garagentor komplett zu ruinieren. Das war passiert, als ich meinen alten schwarzen Opel abmelden und vorläufig in Kajos Garage hatte einmotten müssen. Kein Geld mehr für Sprit, Steuern und Versicherung. Vor lauter Wut darüber hatte ich das Garagentor mit solcher Wucht zugeschmissen, dass es seitdem klemmte. Nichts auf der Welt hatte es bis jetzt wieder öffnen können. Kein Abrakadabra, kein Sesam-öffne-dich und keine Brechstange.
Na gut, nach der vierten Gauloises auf ex, die ich im Garten einnahm, konnte ich zugeben, dass mein Asyl auch sein Gutes hatte: über 180 Quadratmeter, Garten, Terrasse, zwei Kamine, einer innen, einer auf der Terrasse, Steinway Flügel im Wohnzimmer und Golfklub vor der Tür. Alles in allem eine Adresse, die andere Leute vor Neid erblassen ließ. Und es war umsonst. Abgesehen davon, dass es hier ab und zu spukte.
Kajo erwartete schon, dass ich mich um ein paar Sachen kümmerte, aber da lauerte schon die nächste Niederlage meines Housesitter-Daseins, und zwar gleich hinter der Terrassentür: Der Garten sah aus wie die Todeszone im vietnamesischen Dschungel. Ich hatte es noch immer nicht geschafft, den kleinen Gemüsegarten, geschweige denn die Blumenbeete, umzugraben, zu bepflanzen und Unkraut zu jäten. Und was ich mit der fußballplatzgroßen Rasenfläche anstellen sollte, wusste ich schon gar nicht. Gärten sind was für Gärtner, und Gemüse gibt’s bei Aldi. Ich als Pastafreundin huldige täglich den Chinesen für ihre Erfindung wundersam einfach zu züchtender Nudeln.
Vielleicht gab es in der Gefängnisbibliothek ein Gartenbuch? Ich sollte mal Herrn Matti danach fragen. Er könnte doch für mich mal ein Gartenbuch lesen und mir sagen, was ich machen soll und vor allem wie und wann.
Wenn ich schon nichts säte, wollte ich zumindest ernten. Und zwar Golfbälle. Entschlossen stellte ich meine Espressotasse weg und schritt zur Tat. Nach drei Wochen musste hier einiges zu holen sein. Golfbälle kann man mehrmals im Jahr ernten, wenn man direkt neben einem Golfplatz wohnt. Diese Nachbarschaft hatte mir bereits eine hübsche Sammlung von Golfbällen jeder Preisklasse beschert. Die Golfballzucht ist nicht ganz ungefährlich, man muss aufpassen, dass man keinen an den Kopf bekommt, vor allem samstags und sonntags.
Ich schlug mich kreuz und quer durchs Unkraut, warf die Golfbälle in einen alten Blecheimer und schaute mich immer wieder um. Von Dr. Thoma war weit und breit nichts zu sehen. Wahrscheinlich hielt er seinen Schönheitsschlaf, bis sein russischer Spielgefährte wieder auftauchte.
Dafür sah ich
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