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Abgeschaltet

Abgeschaltet

Titel: Abgeschaltet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Winterhagen
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und wirkt als Treibhausgas 300-mal stärker als Kohlendioxid. Gelangt der Stickstoff statt in die Atmosphäre als Nitrat ins Trinkwasser, kann er im Körper in das extrem gesundheitsschädliche Nitrit umgewandelt werden. Und viertens ist Biogas nichts anderes als Methan, dessen Treibhauspotenzial 21-mal größer als das von Kohlendioxid ist. In Biogasanlagen gehen bis zu 15 Prozent des entstehenden Methans verloren, was die Gesamtklimabilanz deutlich trübt.
    Darüber hinaus besteht noch das Problem der Flächennutzungskonkurrenz. Hinter diesem sperrigen Begriff verbirgt sich das schlichte Problem, dass sich auf einem Stück Land nicht gleichzeitig dichte Bebauung, Urwald und Nutzwald sowie Ackerflächen zum Anbau von Nahrungs- und Energiepflanzen befinden können. Der Mensch muss sich entscheiden. Worauf ich hinweisen will: Es geht um mehr als die oft diskutierte Frage »Teller oder Tank?«. Aus ethischer Perspektive betrachtet ist es zweifellos richtiger, das vorhandene Ackerland zunächst dafür zu nutzen, alle Menschen satt zu bekommen, und Energiepflanzen nur auf dem verbleibenden Rest anzubauen. Allerdings gehen solche Betrachtungen immer davon aus, dass die Ackerfläche konstant bleibt – was nicht der Fall ist, wie unzählige Berichte über Brandrodungen in den Tropen zeigen. Es stellen sich also weitere Fragen, die immer wirtschaftliche, ökologische und ethische Dimensionen haben: Sollten wir nicht die wenigen Urwälder, die auf der Erde noch existieren, konsequent unter völligen Naturschutz stellen? Sollten wir Nutzwälder, naturnah bewirtschaftet, unberührt lassen, statt zu roden? Können wir die zusätzlichen zweieinhalb Milliarden Erdbürger, die bis 2050 erwartet werden, von den heutigen Agrarflächen ernähren? Der größte Bevölkerungszuwachs ist in den sehr dicht besiedelten Städten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas zu verzeichnen – was passiert dort, wenn der Lebensstandard und damit der Anspruch auf Wohnfläche steigt?
    Allen Indikatoren zufolge wird Fläche im Lauf dieses Jahrhunderts eher knapp, sofern wir nicht die heute von Menschenhand unberührten Naturlandschaften angreifen – die machen nur noch ein Viertel der nicht von Eis bedeckten Landoberfläche aus. Zudem verändert der Anbau von Energiepflanzen die Landwirtschaft, es wird mehr gedüngt und öfter geerntet. Bodenbrütende Vögel und Käfer leiden darunter genauso wie die Wasserqualität. Daher postuliere ich an dieser Stelle: Der Anbau von Energiepflanzen mag mit steigenden Öl- und Kohlepreisen ein rentables Geschäft sein, ich halte ihn jedoch für ethisch nicht vertretbar und absolut nicht zukunftsfähig. Was heute in mehr als 6000 Biogasanlagen in Deutschland (2020 sollen es schon 10000 sein) passiert, ist für mich eine größere Umweltsünde als die Nutzung der Kernkraft. Denn die Grundstoffe sind in der Regel Mais aus konventioneller Landwirtschaft (Biobauern arbeiten nicht für Bioenergie) und Gülle aus der Massentierhaltung. Dass für die damit verbundene Umweltverschmutzung und Tierquälerei nach dem Einspeisegesetz auch noch Subventionen fließen, ist allenfalls Ausdruck erfolgreicher Lobbyarbeit der Bauernverbände, sicher aber nicht der Vernunft. Zwar sind einige grobe Fehlentwicklungen in der 2011 verabschiedeten Novelle des Gesetzes über erneuerbare Energien beseitigt – so dürfen »nur« noch 60 Prozent Mais in die Anlagen. Doch noch immer erhält eine Tierfabrik, die ihre Gülle verstromt, bis zu 25 Cent je Kilowattstunde.
    Es gibt über die Kritik an den ökologischen Folgen großflächiger Monokulturen hinaus noch einen Grund, nicht auf den Anbau von Energiepflanzen zu setzen: Biomasse entsteht letztlich durch Umwandlung der Sonnenenergie in chemische Energie, die in den Pflanzen gespeichert wird. Der Wirkungsgrad dieser Umwandlungskette ist miserabel: Nur 0,17 Prozent des auf einem Maisacker eingefallenen Sonnenlichts werden zu elektrischer Energie, wenn der Mais in die Biogasanlage wandert. Dabei ist der Energieaufwand für Anbau und Transport des Getreides noch nicht eingerechnet, er macht in der Regel mindestens 50 Prozent aus, so dass maximal ein Tausendstel des Sonnenlichts genutzt wird. Grund für diese miserablen Werte ist der schlechte Wirkungsgrad der natürlichen Photosynthese, der unter optimalen Bedingungen theoretisch bei 4,5 Prozent, in der Praxis jedoch unter einem Prozent liegt. Nicht zu vergessen: Um Strom zu erzeugen, wird das Biogas in konventionellen Verbrennungsmotoren verbrannt,

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