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Abgeschaltet

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Titel: Abgeschaltet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Winterhagen
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entweder sehr energieintensive Hochtemperaturprozesse oder man findet doch einen Weg, sie über Fermentation zu zersetzen. Intensiv geforscht wird an beiden Wegen, die in eine neue, die zweite Generation von Biokraftstoffen münden sollen.
DIE WUNDERSAME MEDIZIN DER HERREN FISCHER UND TROPSCH
    Die Chemiker Franz Josef Emil Fischer und Hans Tropsch fanden Mitte der zwanziger Jahre am damaligen Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr eine Lösung für eine Aufgabe, die Deutschland seit dem Ersten Weltkrieg umgetrieben hatte: Es musste doch möglich sein, das für die Kriegsführung immer wichtiger werdende Benzin aus der heimischen Kohle herzustellen. In den dreißiger Jahren wurde das Verfahren dann erstmals im großen Stil angewendet, zunächst, weil Devisen knapp waren, später auch, um die deutsche Kriegsführung zu unterstützen.
    Der nach seinen Erfindern benannte Fischer-Tropsch-Prozess ist nicht besonders kompliziert: Ein beliebiges kohlenstoffhaltiges Ausgangsmaterial wird bei hohem Druck und hoher Temperatur mit Sauerstoff und Wasserdampf versetzt. Aus der Reaktion entsteht Synthesegas, ein Gemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff. Fügt man nun bei Temperaturen von 200 bis 300 Grad Eisen oder Cobalt als Katalysator hinzu, entsteht ein komplexes Kohlenwasserstoffmolekül, das dem aus Erdöl gewonnenen Dieselkraftstoff ähnelt. Katalysatoren sind übrigens Stoffe, die eine chemische Reaktion ermöglichen, indem sie beispielsweise die notwendige Temperatur absenken. Der Katalysator verändert sich bei der chemischen Reaktion selbst aber nicht.
    Das Verfahren wurde im Zweiten Weltkrieg in Deutschland intensiv genutzt, zeitweise wurden mehr als 600000 Tonnen Flüssigkraftstoff aus Kohle gewonnen, um die deutsche Kriegsmaschine trotz der Isolation des Hitler-Regimes am Laufen zu halten. Nach dem Kriegsende erlahmte das Interesse an der Technik, Erdöl war schließlich billig auf dem Weltmarkt zu kaufen. Allein im durch die Apartheid isolierten Südafrika betrieb man noch großtechnische Anlagen. Heute erlebt der Fischer-Tropsch-Prozess eine Renaissance, denn er stellt einen der möglichen Wege dar, aus Pflanzenabfällen Biokraftstoffe zu erzeugen. Im Prinzip kann man sich das so vorstellen, dass die Pflanzenmasse bei diesem Verfahren komplett in seine Grundbausteine zerlegt und dann neu zusammengesetzt wird. So hat der einzige Hersteller, der in Deutschland bis heute bereits in kleinem Umfang Biokraftstoffe der zweiten Generation produzierte, das von ihm patentierte Verfahren auch »Carbo-V« getauft. Ein gutes Geschäft war die Pionierleistung offensichtlich nicht: Im Juli 2011 meldete Choren Insolvenz an. Einer der Hauptinvestoren, die Deutsche Shell, hatte schon 2009 in aller Stille seine Gesellschaftsanteile verkauft.
    Eine spannende neue Pilotanlage, die ebenfalls auf dem Synthesegas-Pfad basiert, wird derzeit unter Regie des Karlsruher Instituts für Technologie an den Standorten Karlsruhe, Jena und Chemnitz erstellt. Das von den Wissenschaftlern »Bioliq« getaufte Verfahren vermeidet einige Nachteile klassischer Herstellwege für Biokraftstoffe. Zum Beispiel ist die Energiedichte von Roh-Biomasse recht gering, weshalb für den Transport zu den teuren und deshalb immer zentral errichteten »Raffinerien« weite Wege und damit hoheCO 2 -Emissionen notwendig werden. Die Karlsruher stellen jedoch dezentral Anlagen auf, in denen die Biomasse in einem Schnellverfahren zu Koks und sogenanntem Pyrolyseöl weiterverarbeitet wird. Wieder zusammengemischt hat der entstandene Energierohstoff noch 85 Prozent des Energieinhalts der Biomasse, aber nur noch ein Zehntel des Volumens. In dem fünfstufigen Prozess, an dessen Ende Benzin aus der Anlage fließt, ist außerdem keine Zugabe von reinem Wasserstoff erforderlich, dessen Herstellung sehr energieaufwändig ist.
    Dass für einen Totalabriss und anschließenden Neuaufbau bei Häusern wie bei Molekülen relativ viel Energie benötigt wird, ist eigentlich logisch. Da liegt es auf der Hand, sich zu fragen, ob es nicht   einen Weg gibt, die Biomasse nur umzubauen. Die Antwort sucht das von der Bundesregierung geförderte Exzellenzcluster mit   dem sperrigen Namen »Maßgeschneiderte Kraftstoffe aus Biomasse«.
DIE MASSSCHNEIDER
    Aachen, Stadtmitte. Ein funktionales, eher trauriges Gebäude aus den Nachkriegsjahren. Das Besprechungszimmer heißt »Blauer Saal« und ist doch kaum größer als mein Büro. Später sehe ich auch, dass die

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