Abgeschaltet
Allerdings weiß man das mangels Erfahrung nicht wirklich und kann nur simulieren und abschätzen. Natürlich wärmt sich ein abgekühltes Reservoir auch wieder auf, denn der Nachschub an Wärme aus dem Erdinneren sowie durch natürliche Radioaktivität bleibt ja bestehen. Wie lange es dauert, ein von 120 auf 60 Grad abgekühltes Reservoir wieder mit Wärme zu beladen, weiß man nicht – es handelt sich aber wahrscheinlich eher um einige Jahrtausende. Ist das noch »erneuerbare« Energie? Und wie betrachten wir dann das Erdöl und die Kohle? Schließlich wird jeden Tag neues Erdöl, neues Erdgas, neue Kohle gebildet, wo Meere oder Seen versanden und allmählich von Gesteinsschichten überlagert werden. Allerdings dauert es eben mehr als Hundert Millionen Jahre, bis wir wieder so viel fossile Rohstoffe haben wie 1847, als in Baku zum ersten Mal nach Erdöl gebohrt wurde.
Alle bis hierher vorgestellten Technologien, Wasser, Wind, Sonne und Erdwärme, erzeugen Strom mit einer sehr günstigen Kohlendioxidbilanz: Das Treibhausgas wird nur in dem Umfang frei, wie die Produktion der Kraftwerke nicht selbst mit erneuerbaren Energien erfolgt. Trotzdem stellen sie nicht die einzige Form erneuerbarer Energie dar, denn in einem weiteren Sinn ist der Begriff auf jede Technologie anwendbar, die einen geschlossenen Kohlendioxid-Kreislauf bietet. Deshalb wollen wir nun der Frage nachgehen, welche Chancen Energie aus Biomasse bietet. Insbesondere ist zu hinterfragen, ob Biomasse auch »Bio« ist.
VOM ACKER GEMACHT: WELCHEN BEITRAG BIOMASSE ZUR ENERGIEERZEUGUNG LEISTEN KANN
»Wald ist mehr als eine Papierzellstoffressource und eine Energieplantage für das Wachstum.«
Kerstin Ekman, Der Wald
Wer sich, vielleicht angeregt durch die Lektüre dieses Buches, intensiver mit Energiethemen beschäftigt und dann in der Tageszeitung oder im Internet entsprechende Artikel liest, der wird immer wieder auf Politiker treffen, die sich für eine »carbon-free economy« einsetzen. Und dann erkennen, dass es sich, wie so oft, um eine Hohlphrase handelt. Denn Kohlenstoff ist der wichtigste Grundbaustein allen Lebens auf dem Planeten Erde. Kohlenstoffatome haben nämlich eine tolle Eigenschaft: Sie binden sich gern und stabil, nicht nur mit ihresgleichen, sondern auch mit Sauer- und Wasserstoff, gerne auch zu großen und sehr komplexen Molekülen. Insgesamt sind mehr als vier Millionen Kohlenstoffverbindungen bekannt, dem stehen rund 100000 Moleküle gegenüber, die alle anderen chemischen Elemente miteinander bilden. Das kohlenstofffreie Wirtschaften wird also schon mal nichts, denn dazu müssten wir alles Leben abschaffen.
Für den Energiesektor von besonderer Bedeutung sind Kohlenstoff-Wasserstoff-Verbindungen, kurz Kohlenwasserstoffe. Wenn sie verbrennen, sprich mit Sauerstoff reagieren, wird sehr viel thermische Energie frei (und neben Wasser das eigentlich problematische Kohlendioxid). Umgekehrt formuliert: In wenig Masse steckt viel chemische Energie. Es war hauptsächlich diese Eigenschaft, die hohe Energiedichte flüssiger Kohlenwasserstoffe, die Benzin- und Dieselmotor zum weltweiten Siegeszug verholfen hat.
Will man die vor vielen Millionen Jahren in Erdöl, Gas und Kohle umgewandelte Biomasse nicht nutzen, um den darin gebundenenKohlenstoff nicht als Kohlendioxid in die Atmosphäre zu entlassen, aber trotzdem nicht auf Kohlenwasserstoffe verzichten, dann bleibt genau eine Möglichkeit: die Biomasse heranzuziehen, die heute auf der Erde nachwächst. Dabei wird ja nur das Kohlendioxid frei, das die Pflanze zuvor per Photosynthese aus der Luft geholt hat.
Damit es sich allerdings wirklich um einen geschlossenen Kreislauf handelt, sind ein paar Randbedingungen zu beachten. Denn erstens schadet, wer einen Urwald abholzt und verheizt, nicht nur der Artenvielfalt, sondern vernichtet auch einen großen Kohlendioxidspeicher. Der wächst nicht kurzfristig nach, sondern, wenn überhaupt, in mehr als 100 Jahren. Zweitens werden Düngemittel für den Anbau verwendet und muss die energetisch genutzte Biomasse maschinell transportiert werden: Hierfür wird Energie verbraucht, so dass die Kohlendioxidbilanz nur ausgeglichen ist, wenn sämtliche Energie für diese Prozesse selbst aus erneuerbaren Quellen stammt. Drittens wird im konventionellen Landbau fast immer stickstoffbasierter Dünger eingesetzt. Der Teil des Stickstoffs, der nicht von den Pflanzen verarbeitet werden kann und im Boden verbleibt, verbindet sich mit Sauerstoff zu Lachgas –
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