Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abgeschaltet

Abgeschaltet

Titel: Abgeschaltet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Winterhagen
Vom Netzwerk:
Zusammenhang zwischen dem Beben und der Geothermieanlage »sehr wahrscheinlich« ist. Allerdings seien auch leichte strukturelle Schäden »sehr unwahrscheinlich«. Im Klartext: Mag sein, dass der Putz bröckelt, das Tragwerk wird nicht geschädigt. Die Ursache vermuten die Experten darin, dass auch bei der sogenannten hydrothermalen Geothermie das Wasser mit einem gewissen Druck in die Erde zurückgepumpt wird. In Landau betrug dieser Druck bis zu 60 bar. Günstiger sind die Verhältnisse in Unterhaching, wo gar nicht gepumpt, sondern der Druckunterschied zwischen dem Wasser in der Anlage – sieben bis neun bar – und dem deutlich geringeren Druck im unterirdischen Wasserreservoir genutzt wird. Zudem besteht der Verdacht, dass der Temperaturunterschied zwischen dem eingeleiteten kalten Wasser und dem warmen Gestein in mehreren Tausend Metern Tiefe Spannungen imBoden und damit Beben auslösen kann. Auf jeden Fall ein Hinweis auf weiteren Forschungsbedarf, unter anderem für das Deutsche Geoforschungszentrum in Potsdam: Im von der EU mitfinanzierten Projekt »Geiser« will es Gefahren analysieren und Vermeidungsstrategien entwickeln. Ergebnisse sind für 2013 zu erwarten. So lange sollten Bohrungen und Betrieb auf jeden Fall genauestens überwacht werden.
    Die Bohrtechnik selbst ist übrigens kaum ein limitierender Faktor. Die heute eingesetzte Technik wurde bereits im 19. Jahrhundert für die Erdölförderung entwickelt. Der Bohrer sitzt dabei auf einem Rohrgestänge, durch die Rohre wird Wasser mit hohem Druck in Richtung Bohrkopf gespült. Dort befreit es den Kopf von dem Bohrmaterial und spült es an der Außenseite des Bohrgestänges wieder an die Erdoberfläche. Theoretisch wären so Tiefen von mehr als zehn Kilometern erreichbar. Für die Geothermie reichen zwischen drei und sieben. Natürlich wird die Fördertechnik im Ölsektor immer weiter verfeinert. Spektakulär sind Bohrungen, bei denen mehrfach die Richtung gewechselt wird. Diese Technik kann man auch für die Geothermie nutzen, bei der man immer zwei Löcher bohren muss: eines, um das Wasser aus der Erde zu holen, das andere, um es wieder hineinzupumpen. Kosten sparen könnte man, indem man beide Bohrungen von einem Standort aus vornimmt – dann muss allerdings eine der beiden abbiegen.
    Welches Potenzial die Geothermie hat, signifikant zur deutschen Stromversorgung beizutragen, ist umstritten. Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag hat 2003 in einer Studie die Bandbreite aufgezeigt: Das technisch nutzbare Potenzial liegt demnach nur in Deutschland bei unglaublichen 300000 Terrawattstunden, dem 600-Fachen des deutschen Jahresstrombedarfs. Allerdings sei die geothermische Stromerzeugung nur dann wirtschaftlich, wenn man sie an ein Fernwärmenetz koppelt. Das zu bauen lohnt nur in verdichteten Siedlungsräumen. Aber angenommen, das wird konsequent getan, dann sind maximal 25 Prozent des deutschen Strombedarfs zu decken. Verbleibt es hingegen bei den heute bestehenden Fernwärmenetzen, dann sinkt das Potenzial auf zwei Prozent.
    Allerdings ist der Strom aus Geothermiekraftwerken besonders begehrt: Er fließt immer, solange die Anlage keinen technischen Defekt aufweist, also mehr als 8000 Stunden im Jahr. Allerdings ist das »solange« ernst zu nehmen: In der Anfangszeit stand die Unterhachinger Anlage immer wieder still. Es handelt sich nun einmal um eine Technologie, die weit unreifer ist als Photovoltaik oder Windkraft. Das spricht aus meiner Sicht aber nicht gegen, sondern explizit für eine Weiterentwicklung der Technik.
    Man kann übrigens wunderbar diskutieren, ob die Geothermie überhaupt eine erneuerbare Energie ist. Oder vielmehr daran aufzeigen, dass es in einem Universum, das zur Entropie neigt, keine unendlich verfügbare Energiequelle gibt, die sich beständig erneuert. Am weitesten reicht ganz sicher die Sonne, erst in fünf bis sechs Milliarden Jahren wird sie verlöschen. So lange reichen auch die aus Sonnenenergie abgeleiteten Energieformen: die Bewegungsenergie des Windes, die durch unterschiedlich stark erhitze Luft zustande kommt. Die Wasserkraft, die davon lebt, dass Wasser unter Sonneneinstrahlung verdunstet und als Niederschlag wieder auf die Erde fällt. Und die Biomasse, die das Sonnenlicht für die Photosynthese nutzt. Ein geothermisches Reservoir kühlt sich hingegen bei der Nutzung relativ schnell ab, die meisten Projekte sind so gerechnet, dass die Nutzung nach 50 Jahren aufgegeben wird.

Weitere Kostenlose Bücher