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Abgeschaltet

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Titel: Abgeschaltet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Winterhagen
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Folge der Entscheidung, bei dem Unterhachinger Kraftwerk nicht dem Strom, sondern der Wärme Vorfahrt zu gewähren. Unsinnig ist diese Entscheidung dennoch nicht. Denn zum einen ist der energetische Wirkungsgrad bei der Fernwärme viel höher, er beträgt 91 Prozent. Außerdem ist jede Pumpe auf eine gewisse Förderleistung ausgelegt. Wer im Winter viel warmes Wasser fördert, muss es also auch im Sommer irgendwie sinnvoll nutzen. Selbst im extrem kalten Jahr2010 benötige die Wärmeerzeugung in Unterhaching im Schnitt nur ein knappes Viertel des gesamten Thermalwassers. So bleiben letztlich nur zwei Alternativen: entweder die Förderleistung deutlich zurückzunehmen und dann an kalten Tagen mehr Gas zu verbrennen, oder die übrige Wärme, wenn auch mit nicht gerade sensationellem Wirkungsgrad, zu verstromen. Klimafreundlicher ist auf jeden Fall die zweite Variante.
    Am Ende bleibt Warmwasser, das wieder in die Erde zurückgepumpt wird. Allerdings nicht am gleichen Ort, sondern 3,5 Kilometer entfernt. Nur so verhindert man, dass an der Entnahmestelle das deutlich kältere Wasser, das schon einmal genutzt wurde, wieder hochgepumpt wird.
    Stolz auf die Pioniertat der Unterhachinger ist nicht nur der Geschäftsführer. »Wir brauchen die Technologie nicht im Wald zu verstecken, sondern können nah an den Bürger ran.« Den Grund sieht Geisinger auch in der Kopplung von Strom- und Wärmeerzeugung. Denn während der Strom ins Netz eigespeist wird und damit letztlich nicht genau rückverfolgbar ist, kann bei der Wärme jeder Bezieher genau nachvollziehen, dass sie von eigenem Gemeindegrund stammt. In das Projekt waren die Bürger von Anfang an einbezogen. Eines Sonntags habe der Pfarrer sogar nach dem Gottesdienst ins Gemeindehaus eingeladen. Programmpunkt: Diskussion mit dem Bürgermeister zur Geothermie. In weniger katholischen Gegenden müssten sicher andere Formen der Bürgerbeteiligung gefunden werden. Zudem sind die Unterhachinger von der Geologie besonders begünstigt. Aber sie haben etwas daraus gemacht, etwas gewagt – und meinem Eindruck nach auch etwas gewonnen.
DIE ERDE BEBT
    In Unterhaching und den Nachbargemeinden sind in der Tiefe ausreichend wasserspeichernde Gesteine (Aquifere) vorhanden. Wenn nicht, kann man die Erdwärme trotzdem nutzen, indem Wasser in ausreichender Menge eingeleitet wird. Bei hohem Wasserdruck bahnt es sich seinen Weg zwischen der Einleitungsstelle und dem Förderrohr. Die entstehenden Risse können mehrere Hundert Meter lang und bis zu einem Zentimeter dick sein. Man spricht von »hydraulischer Fraktionierung« oder »Hot-Dry-Rock-Verfahren«. Allerdings ist dieses Verfahren weitaus stärker in der Diskussion, da es mit höherer Wahrscheinlichkeit Erdbeben hervorrufen kann. Keine Megabeben, aber doch »seismische Ereignisse«, wie es im Branchenjargon heißt, die zu Schäden an Gebäuden führen können. In Basel wurde ein Projekt abgeblasen, nachdem verschiedene Beben mit einer Stärke von bis zu 3,4 auf der Richterskala verzeichnet wurden. Eine anschließend eingesetzte Expertenkommission kam zu dem Schluss, dass sogar Beben bis zu einer Stärke von 4,5 und Schäden von mehr als 600 Millionen Euro zu erwarten sind.
    Für eine dicht besiedelte Gegend sicher nicht tragbar. Anders sieht es eventuell aus, wenn im australischen Outback gebohrt wird. Im Cooper-Becken im Bundesstaat South Australia wird seit einigen Jahren versucht, die Hitze im Boden zu nutzen. Die Geographie bietet gute Voraussetzungen: Bereits in etwas mehr als 2000 Meter Tiefe können Temperaturen von 250 Grad Celsius erreicht werden. Das ist genug, um konventionelle Kraftwerktechnik einzusetzen, die einen deutlich höheren Wirkungsgrad besitzt. Und deutlich billiger ist: Das eigens für dieses Projekt gegründete Unternehmen Geodynamics spricht von »deutlich unter« 10 Cent je Kilowattstunde. Sollten die Pläne Realität werden, könnte Australien allein aus diesem Vorkommen für mehrere Jahrzehnte ein Viertel seines Strombedarfs decken. Auch im Cooper-Becken hat es während der ersten Bohrungen Erdbeben von bis zu 2,7 auf der Richterskala gegeben – mitten in unbewohnter Wüste.
    Auch wenn weniger brachiale Erschließungsmethoden als bei der Fraktionierung zum Einsatz kommen, sind leichte Beben nicht auszuschließen. Der bekannteste Fall dürfte das Beben am 15. August 2009 im pfälzischen Landau sein, das zu Gebäudeschäden geführt hat. Die im Anschluss eingesetzte Expertengruppe kam zu dem Ergebnis, dass ein

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