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Kraftstoffforschung, bei der in den Laboren der Mineralölfirmen versucht wurde, die gegebenen Motoren zu optimieren. Allerdings liegt in dem neuen sinnvollen Ansatz auch eine große Gefahr: Der neue Kraftstoff kann nicht von allen Autos getankt werden. Schon der derzeitige Bestand an Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor beträgt weltweit ungefähr eine Milliarde; er wächst jedes Jahr. Automobil- und Mineralölindustrie müssten die Einführung also aufeinander abstimmen. Wie schwierig das sein kann, zeigt das jahrelange Gerangel um die Einführung des schwefelfreien Kraftstoffes, der für Dieselmotoren mit Partikelfilter benötigt wird. Noch heute ist in China oder den USA der Kraftstoff bis zu 200-mal stärker mit Schwefel belastet als in Deutschland. Daher will Müther auch nicht ausschließen, dass für eine Einführungsphase solche Biokraftstoffe doch normalem Benzin oder Diesel beigemischt werden. »Aber das ist nicht Ziel unseres Forschungsansatzes.«
Als ich Müther nach einer Einschätzung zur Energiebilanz seiner maßgeschneiderten Kraftstoffe frage, muss er passen. Weder der Kraftstoff, der hinten rauskäme, noch das Herstellverfahren noch seine Verbrennung seien nach den bisherigen gut drei Jahren Forschung geklärt. Intern rede man noch gar nicht von einem Verfahren, sondern von einem Ansatz. Zwar sei zumindest für 2-MTHF geklärt, dass die wesentlichen Prozessschritte überhaupt funktionieren. »Aber energetisch ist das auch immer eine Frage der Größe einer Anlage. Bislang arbeiten wir mir Reagenzgläsern.« Ab wann werden wir die maßgeschneiderten Kraftstoffe der Aachener denn tanken können? »Unser Zeithorizont sind 15 bis 20 Jahre«, antwortet Müther.
Bei der Besichtigung einer Prüfeinrichtung fällt mir auf, dass es unangenehm stechend riecht. Müther beruhigt mich: »Alle Kraftstoffe, die wir hier entwickeln, sind weniger giftig als Ottokraftstoff. Und wenn es nicht gut riecht, lässt man eher die Finger davon.« Für die spätere Akzeptanz des Autofahrers kann das ein Problem darstellen. Allerdings hatten die Chemiker den Ingenieuren auch schon einen Testkraftstoff gemischt, der nach Schokolade roch.
Immer wieder werden in der öffentlichen Diskussion Biokraftstoffe und batteriebetriebene Elektrofahrzeuge als Konkurrenztechnologien diskutiert. Müther irritiert das nicht. »Für Flugzeuge, Schiffe und Langstreckentransporte benötigt man die Energiedichte eines Flüssigkraftstoffes, der auf Kohlenstoff beruht. Der Energieinhalt, der heute in der Batterie eines Elektrofahrzeugs gespeichert werden kann, entspricht nur etwa einem Liter Benzin.«
Wenn Müther und seine Kollegen erfolgreich sind, können wir dann nicht einfach darauf verzichten, Rohöl zu fördern, und den Kraftstoff aus den Reststoffen der Landwirtschaft gewinnen? Leider ist das, was bei der Nahrungsmittelproduktion übrig bleibt, nicht genug. Maximal 15 Prozent des Energiebedarfs, so schätzt man, lassen sich aus vorhandener Biomasse gewinnen, wenn die Menschen satt werden sollen und man nicht die heutigen Wälder großflächig abholzen will. Wobei Interessensvertreter der Bioenergie-Branche immer wieder darauf hinweisen, dass diese Zahlen nur stimmen, solange wir Fleisch essen. Denn für die Produktion eines Kilos Rinderfleisch benötigt man rund 20-mal so viel Fläche wie für dieselbe Menge Gemüse. Der Fleischkonsum nimmt mit zunehmendem Wohlstand aber weiter zu. Das in Washington ansässige Forschungsinstitut für internationale Ernährungspolitik prognostiziert, dass im Jahr 2020 weltweit 125 Millionen Tonnen mehr Fleisch verzehrt werden als 1996. Der Löwenanteil des Zuwachses entfällt auf Wachstumsländer wie China.
Gesamtgesellschaftlich zu diskutieren und politisch zu entscheiden ist auf jeden Fall die Frage, was wir mit der knappen Biomasse machen, wenn wir davon ausgehen, dass wir den Anbau von Energiepflanzen auf Dauer nicht tolerieren: weiterhin vorrangig verstromen? Oder für den Teil des Verkehrs reservieren, der nur schwer oder gar nicht zu elektrifizieren ist? Ein Argument, das für die Verstromung spricht, sei nicht verschwiegen: Durch den bescheidenen Wirkungsgrad auch hocheffizienter Verbrennungsmotoren – er beträgt im europäischen Verbrauchsmesszyklus nur etwa zwanzig Prozent – ist der Gesamtwirkungsgrad äußerst gering. Einer von Greenpeace in Auftrag gegebenen Studie von EUtech zufolge ist die Einsparung an Kohlendioxid dreimal höher, wenn man Biomasse verstromt und die dabei anfallende
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