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Abgeschaltet

Abgeschaltet

Titel: Abgeschaltet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Winterhagen
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brennbaren Flüssigkeiten zu betanken, könnte man auch Strom nutzen, den man aus erneuerbaren Energien gewinnt. Das wäre aus Sicht der Energiewirtschaft wünschenswert, weil die meisten Menschen nachts schlafen. Sprich, das Auto wird ohnehin geparkt und der Stromverbrauch durch Büros, Fabriken und private Haushalte sinkt drastisch. Lädt man stattdessen den Strom in die Autobatterie, muss man weniger andere Speicher bauen und spart viel Geld. Wenn der Strom aus Wasser-, Wind- oder Sonnenenergie erzeugt wird, sind die Kohlendioxidemissionen fast null.
    Das Fahren mit einem Elektromotor macht nicht weniger Spaß, im Gegenteil: Ein Elektromotor entwickelt seine volle Kraft sofort und muss nicht erst auf Drehzahl gebracht werden. Hat die Automobilindustrie in den letzten 125 Jahren also einfach auf das falsche Pferd gesetzt? Immerhin begeisterte Ferdinand Porsche die Besucher der Pariser Weltausstellung bereits im Jahr 1900 mit einem Auto, das in beiden Vorderrädern einen Elektromotor hatte.
    Das Elektroauto hat ein Problem: So gut es fährt, es kommt nicht weit. Und das liegt daran, dass die Energiedichte in einer Batterie deutlich geringer ist als in Diesel oder Benzin. Während ein moderner Dieselkombi mit einer Tankfüllung von 70 Litern mehr als 1000 Kilometer fährt, schafft ein Elektroauto des Jahres 2011 nur 150 Kilometer. Und schaltet der Fahrer die Heizung oder die Klimaanlage ein, schrumpft die Reichweite um die Hälfte. Momentan ist derEnergiegehalt von einem Kilo Dieselkraftstoff ungefähr 60-mal höher als der der besten verfügbaren Batterien.
    Trotzdem wäre es ein Fehler, das Elektroauto abzuschreiben. Das wäre so, als hätte man nach dem ersten Atlantikflug von Charles Lindbergh 1927 felsenfest behauptet, der Mensch schaffe es zwar mit Müh und Not über den Atlantik, nie aber zum Mond. Zwischen den beiden die Menschheitsgeschichte prägenden Flügen lagen gerade einmal 42 Jahre. Vier Jahrzehnte, in denen Naturwissenschaftler geforscht und Ingenieure entwickelt haben, um das scheinbar Unmögliche zu realisieren.
WIE EIN WISSENSCHAFTLER GEGEN HEILSERWARTUNGEN KÄMPFT
    Das Unmögliche in der Batterietechnik erforscht Professor Martin Winter in Münster. Als ich sein Institut besuche, riecht es in dem Neubau noch nach Farbe. Hinter den Glastüren sieht man junge Menschen in weißen Kitteln im Labor stehen. Ich frage eine junge Wissenschaftlerin nach dem Weg, und sie antwortet mit slawischem Akzent: »I don’t speak German.« Rund 40 Millionen Euro wurden in den letzten Jahren hier investiert, um den deutschen Rückstand beim Elektroauto aufzuholen.
    Wichtigster Forschungsschwerpunkt in Münster sind Lithium-Ionen-Akkus, also jene Energiespeicher, die wir auch in unseren Laptops und Mobiltelefonen verwenden und die heute die beste Technik am Markt darstellen. Als ich Winter nach deren Potenzial frage, korrigiert er mich zunächst: »Es heißt Li-t-hium mit hartem t, nicht Lizium mit z, sonst müssen Sie auch Zeater statt Theater sagen.« Ihm geht es nicht um ein chemisches Element, sondern darum, dass diese Technologie in der Autoindustrie endlich genauso selbstverständlich ist wie ein Hubkolbenmotor. Und dazu muss man sich mit Chemie beschäftigen und nicht mit Maschinenbau. Die Chemie der Lithium-Ionen-Zelle vergleicht Winter mit zwei leeren Eierkartons, zwischen denen positiv geladene Lithium-Ionen hin und her wandern, wenn Strom in die Batterie oder aus ihr heraus fließt. Eigentlich ganz einfach, doch es bleiben ein paar Fragen: Wieso wandern die Ionen und wieso speichern sie dabei Energie? Und wie kann man die Energiedichte steigern, also bei gleichem Gewicht und Bauraum mehr Ionen vom einen Ende zum anderen wandern lassen?
    Die »Wieso«-Frage ist noch recht einfach beantwortet: Ist der Akku völlig leer (was leider immer in den ungünstigsten Momenten passiert), dann befinden sich alle Lithium-Ionen auf einer Seite der Batteriezelle, und zwar auf jener, an die der Pluspol angeschlossen ist. Dieser Eierkarton wird auch Kathode genannt. Die Lithium-Ionen sind dort in eine Matrix aus einem Metalloxid eingelagert, stabil, aber nicht ungeheuer fest gebunden. Beim Laden werden Elektronen in die Kathode hereingepumpt und vertreiben die Lithium-Ionen in den anderen Eierkarton, der Anode heißt und an den der Minuspol angeschlossen ist. Natürlich können die Lithiumteilchen nicht durch den elektrischen Draht wandern, sie nehmen daher den direkten Weg: Sie schwimmen durch eine leitfähige

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