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unterschätze Rolle spielt. In Münsterarbeitet man an Alternativen zu den heute verwendeten organischen Lösungsmitteln: zum Beispiel an Kunststoffen und an flüssigen Salzen, also ionischen Flüssigkeiten. Winter: »Das Polymer ist wesentlich preiswerter als die ionische Flüssigkeit; die ionische Flüssigkeit zeigt eine bessere Leitfähigkeit. Deshalb mischen wir Polymer und ionische Flüssigkeit zu einem Film.« Der große Vorteil: Ein solcher Elektrolyt erhöht die Sicherheit deutlich, denn er brennt erst bei extrem hohen Temperaturen. Außerdem kann man ihn wesentlich besser rezyklieren – eine Forderung, an die heute außerhalb der Fachwelt niemand denkt. Aber sollten tatsächlich eines Tages Millionen an Elektrofahrzeugen auf unseren Straßen fahren, wird nicht nur die Energiebilanz über deren Umweltverträglichkeit entscheiden, sondern auch, wie wir mit den Batterien umgehen. Dass wir sie nicht auf den Müll werfen, dürfte aber auch im Interesse der Industrie sein. Lithium ist ein teures Metall, vor einigen Jahren gab es sogar Befürchtungen, dass es auf der Erde gar nicht in ausreichender Menge vorhanden sei, um eine Milliarde Elektrofahrzeuge weltweit anzutreiben. Diese sind ausgeräumt, nach einer Analyse des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung reichen allein die Reserven für vier Milliarden Batteriefahrzeuge, die Ressourcen sogar für zehn Milliarden.
Zum Unterschied zwischen Reserven und Ressourcen habe ich sicherheitshalber Dr. Volker Steinbach gefragt, der bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe die Abteilung für Energie und Mineralien leitet. Er bestätigte, was ich einst im Erdkundeunterricht lernte: Als sicher nachgewiesene Vorkommen oder Reserven gelten nur die Rohstoffe, die mit heutigen Methoden wirtschaftlich gefördert werden können. Steigt also der Preis, etwa weil ein Rohstoff knapper wird, können die Reserven wieder wachsen. Da Lithium aber nicht an der Börse gehandelt wird – man brauchte es eben in der Vergangenheit nicht ganz so dringend –, ist seine Preisentwicklung wenig transparent. Daimler-Chef Dieter Zetsche, der das Material für seine Elektrofahrzeuge dringend benötigt, berichtete 2009 bei der Eröffnung eines wissenschaftlichen Kolloquiums in Aachen, dass der Preis für das Ausgangsmaterial Lithiumkarbonat in den Jahren zuvor um das Vierfache gestiegen sei.
Wie viel Energie eines Tages in einem Kilo Batterie gespeichert werden kann, ist noch nicht vorhersehbar. Den immer wieder auftauchenden Wunderbatterien gegenüber ist Winter sehr skeptisch. So hatte ein kleines Berliner Unternehmen im Herbst 2010 großes Aufsehen mit einer Rekordfahrt erregt. Mit einem »Kolibri« genannten Akku fuhr ein umgebauter Audi A2 mehr als 600 Kilometer von München nach Berlin. Der Umbau wurde vom Bundeswirtschaftsministerium mit 275000 Euro gefördert. Die Presse berichtete geradezu euphorisch, wobei man bei der Auswahl der Pressevertreter sehr selektiv vorging. Der Spiegel-Redakteur Christian Wüst holte sich genauso eine Abfuhr wie ich. Fachleute wie Winter baten um die Möglichkeit, die Technik zu begutachten, wurden aber ebenfalls abgewiesen. Im Dezember 2010 verbrannte das Fahrzeug, so dass man letztlich nie wird rekapitulieren können, was das Wunder bewirkt haben soll. Ein Beispiel dafür, dass man es in Technologie-Umbruchsphasen immer wieder mit Scharlatanen zu tun bekommen kann.
Wann welche Technologie genau kommt, kann selbst der Batteriepapst aus Münster nicht vorhersehen. Zwar ließe sich die Forschung planen, nicht aber deren Ergebnisse. Trotzdem ist er überzeugt, dass es keine Alternative zum Elektroauto geben wird. »Überlegen Sie mal, was wir beim Benzinmotor tun: 120 Gramm CO 2 pro Kilometer ist das aktuelle Ziel. Pro Kilometer, und das bei jedem Auto. Wenn Kohlendioxid ein schwarzes Pulver wäre, vielleicht noch eines, das schlecht riecht, wer würde das alles zusammenfegen?«
DEUTSCHLAND AUF AUFHOLJAGD
Natürlich ist Winter mit seinem Institut nicht der einzige Batterieforscher. Fast könnte man sagen: Täglich werden es mehr. Nicht zuletzt, weil Verkehrs-, Forschungs-, Umwelt- und Wirtschaftsministerium, besessen von der Idee, das Elektroauto auf die Straße zu bringen, 400 Millionen Euro pro Jahr in die Förderung des Elektroantriebs stecken. Ein Löwenanteil des Geldes, das in die Forschung und nicht in unsinnige Schaufensterprojekte fließt, wird auf den Energiespeicher verwendet. Dass man sich auf Aufholjagd
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