Abgeschaltet
Larsen formuliert: »Wir haben in Norwegen ein funktionierendes Netz für fünf Millionen Einwohner. Wie kann man von uns erwarten, dass wir die Versorgung für achtzig Millionen Deutsche sichern?«
Bis das volle Potential genutzt wird, dürften noch viele Jahre vergehen. Ein Treiber könnte die Endlichkeit der norwegischen Öl- und Gasvorkommen sein, denen das Land einen wesentlichen Teil seines Wohlstandes verdankt. Die Erdölförderung nimmt seit der Jahrtausendwende bereits kontinuierlich ab, während der Erdgasexport derzeit noch steigt. 2050, so das ehrgeizige Ziel der Regierung, soll Norwegen »kohlenstoffneutral« sein.
GEHT ES AUCH OHNE SEE?
Künstliche Reservoire in Deutschland anzulegen, dürfe noch erheblich schwieriger sein. Das derzeit größte geplante Projekt, das Pumpspeicherkraftwerk in Atdorf im Südschwarzwald, erfährt jedenfalls erheblichen Widerstand. Nicht nur Naturschützer protestieren, auch die Anwohner fürchten um die touristische Attraktivität ihrer Region. Ein runder Tisch tagt, der Bauherr Schluchseewerke wartet mit dem Antrag auf die Planfeststellung.
Wie gerufen kommt da die Idee einiger Wissenschaftler, die Hinterlassenschaften des Bergbaus zu nutzen. So könnte der benötigte Höhenunterschied bei Kohlegruben genutzt werden, indem man überirdisch ein Speicherbecken baut und in 1000 Meter Tiefe im Schacht die Pumpe und ein weiteres Reservoir unterbringt. Einfacher nutzen ließen sich Abraumhalden aus dem Tagebau, auf deren Spitze das Speicherbecken gebaut werden müsste. Pumpe und Reservoir lägen allerdings maximal 150 Meter tiefer am Fuß der Halde, dementsprechend geringer ist der Energieinhalt des Speichers. Auf den Halden sollen Windkraftwerke gleich den Strom erzeugen, der, falls er keine Abnehmer findet, das Wasser den Berg hinaufschiebt. Ein erstes solches Kombikraftwerk wollen RWE und die RAG unter dem schönen Namen »Energiepark Sundern« in der Nähe von Hamm bauen. Wie groß das Potenzial für solche Anlagen in Deutschland ist und ob es sich technisch bergen lässt, liegt derzeit noch im Ungewissen. Eine große Herausforderung dürfte es darstellen, dass Abraumhalden nicht die Tragfähigkeit eines verdichteten Bodens haben, nun aber Tausende Tonnen von Wasser aushalten sollen. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Möglichkeit, Stromüberschüsse über das heutige Maß hinaus in deutschen Pumpspeicherkraftwerken zu parken, sehr begrenzt sein wird. Und sicher ist, dass nach weiteren Speicher-Alternativen gesucht werden muss.
VIRTUELLES KRAFTWERK: WÄRME STATT STROM SPEICHERN
Berlin, Prenzlauer Berg. Nicht die schönen Straßen, durch die gut verdienende Mütter ihren Designer-Kinderwagen schieben. Am Rand des Stadtviertels, zwischen Plattenbauten und einem Kaufland, betreibt der Energieversorger Vattenfall eine Wärmeleitzentrale. Normalerweise hat so eine Leitzentrale die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es in den an das Fernwärmenetz angeschlossenen Haushalten – das ist in Berlin jeder vierte – immer warm bleibt und man bei längerem Duschen nicht plötzlich einen Kälteschock bekommt. Seit Herbst 2010 hat Produktionsleiter Gerhard Plambeck eine weitere Aufgabe: Er betreibt ein virtuelles Kraftwerk, bestehend aus kleineren Blockheizkraftwerken und Wärmepumpen in der Region, die über die Leitzentrale angesteuert werden. Es erzeugt zum Zeitpunkt meines Besuchs im März 2011 eine Wärmeleistung von maximal 1,5 Megawatt für 6000 angeschlossene »Wohneinheiten«.
Die Grundidee: Wenn die Windkraftanlagen mehr Strom produzieren, als verbraucht wird, dann werden mit dem Überschuss Wärmepumpen angetrieben. Eine Wärmepumpe tut genau, was ihr Name sagt – beispielsweise hinter unserem Kühlschrank, wo es recht warm werden kann, wenn die Milch kalt bleiben soll. Transportiert wird die Wärme in der Regel von einer Flüssigkeit, und die muss mit Hilfe elektrischer Energie von einem Ort zum anderen gepumpt werden. Entnommen wird die Wärme dem Erdreich in wenigen Metern Tiefe oder sogar der Umgebungsluft.
Wärme statt Strom zu speichern, das klingt zunächst nach einer mäßig guten Idee, denn während sich Strom in fast jede andere Energieform verwandeln lässt, ist das bei Wärme äußerst schwierig, wie wir am Anfang dieses Buchs gesehen haben. Allerdings besteht rund 40 Prozent der »Endenergie«, die wir im Haushalt verbrauchen, aus Wärme. Und technisch lässt sich Wärme oder warmesWasser mit geringem Aufwand im Haus speichern, der Energieverlust ist
Weitere Kostenlose Bücher