Abgeschaltet
Wassermanagement. Wasserdurchfluss und -temperatur werden möglichst exakt auf dem Niveau vor der künstlichen Regulierung gehalten. Das bedeutet auch, dass die 100 Kubikmeter immer fließen, egal ob der Strom gerade billig oder teuer ist. Auf den klassischen Vorteil eines Stau-Wasserkraftwerkes, Strom dannzu produzieren, wenn er besonders gefragt und damit teuer ist, wird verzichtet. Für unsere Speicheridee eine schlechte Nachricht, denn es handelt sich letztlich um den gleichen klassischen Grundlaststrom, den auch Kernkraftwerke produzieren. Den Fluss unterhalb des Staudamms noch einmal zu stauen, um Wasser in Zeiten des Stromüberschusses zurückzupumpen, ist völlig undenkbar.
Unsere Besichtigung des Damms führt uns durch viele unterirdische Gänge. Man hat versucht, nicht nur den ökologischen, sondern auch den optischen Eingriff in die Landschaft minimal zu halten. Dass das Maschinenhaus ebenfalls verbuddelt wurde, ist allerdings eher der Enge der Schlucht zu verdanken. Oberirdisch sind nur die Zufahrt und einige Arbeitsräume, das Gebäude mutet wie eine riesige Tiefgarage an. Bei einer Tasse Kaffee frage ich Povenius, ob heute Neubauten dieser Dimension in Norwegen akzeptiert würden.
Wohl eher nicht, antwortet er. Zumal in der Bevölkerung die Befürchtung vorherrscht, dass der Stromexport die Strompreise im Land verteuern würde. Unbegründet ist diese Angst nicht, denn mit nur 7,5 Cent je Kilowattstunde zahlen die Norweger nur ein Drittel des deutschen Durchschnittshaushalts. Würden die Netze vollständig verbunden und wie bislang stets der am billigsten erzeugte Strom zuerst verkauft, dann müsste sich der Preis mit der Zeit angleichen. Eine Alternative, die in Norwegen ernsthaft diskutiert wird, besteht darin, einzelne Pumpspeicherkapazitäten ausschließlich mit dem deutschen Netz zu verbinden, nicht aber die Netze untereinander.
Billig und gleichzeitig ökologisch, das hat auch Schattenseiten. Mit Strom zu heizen ist Standard, auch im Norden Norwegens, wo es manchmal im Juni noch schneit. Wer es sich gutgehen lassen will, spendiert seiner Garagenauffahrt schon einmal eine Fußbodenheizung und spart sich so das Schneeschippen. Kontinentaleuropäisches Effizienzstreben, etwa durch den Einsatz von Energiesparlampen, wird in Norwegen mit Befremdnis zur Kenntnis genommen.
Nun ist Alta aber nur ein Wasserkraftwerk von 133, die sich im Besitz von Statkraft befinden. Weiter im Süden und damit näher an Deutschland gibt es in Kaskaden hintereinander gebaute Reservoirs, deren Wasser man von einem Becken in das andere pumpen könnte. Die bisherigen Einbahnstraßen müssten also nur mit leistungsfähigen Pumpen und mancherorts mit zusätzlichen Wasserkanälen nachgerüstet werden.
Anders als in Alta werden viele Speicherkraftwerke ohnehin nicht kontinuierlich betrieben – das ginge gar nicht. Denn während derStromverbrauch im Winter durch das Heizen um den Faktor zwei höher sein kann als im kurzen Sommer, liefert die Natur besonders viel Wassernachschub während der Schneeschmelze im Frühjahr und während der Herbstregen. Jon Ulrik Haaheim, bei Statkraft für die Energieerzeugung aus Wasserkraft verantwortlich, erzählt stolz von seinem Wassermanagement, mit dem der Strom jeweils genau aus den Kraftwerken erzeugt wird, deren Reservoirs am vollsten sind, während man die weniger vollen nur bei besonders hoher Nachfrage zuschaltet. Da der Füllstand auch dem Wert des Wassers – genauer dem Wert der darin gespeicherten Energie – entspricht, schwankt der Erzeugungspreis in Norwegen bislang kaum.
Dass Haaheim diese Insel der Seligen trotzdem für deutschen (und britischen) Windstrom öffnen möchte, hat zwei Gründe: Zum einen gab es immer wieder auch mehrere aufeinanderfolgende Jahre mit geringen Niederschlägen. In manchen Jahren fallen nur zwei Drittel der eigentlich benötigten Wassermenge vom Himmel. Ein Verbund über den mit den skandinavischen Nachbarn bestehenden hinaus könnte die eigene Versorgung besser absichern. Und zum anderen ist das Unternehmen, wenn auch weiterhin in staatlichem Besitz, daran interessiert, seine Kapazitäten noch besser zu nutzen. Den Neubau von Staudämmen schließt Haaheim dabei kategorisch aus.
Wie viel Strom in norwegischen Stauseen gepuffert werden könnte, hat Statkraft in einer internen Studie errechnet. Die entscheidende Eingangsgröße ist dabei nicht die Größe der Reservoirs, sondern wie schnell man deren Wasserspiegel absenken oder steigen lassen kann.
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