Abgeschaltet
also nicht die »Atomlobby«, wie in einzelnen Presseveröffentlichungen immer wieder behauptet, die den Bau der transnationalen Leitungen verhindert. »Um das volle Potenzial zu nutzen, müssten wir das norwegische Netz vollständig umbauen«, so Larsen.
Ein Vorbild für die deutsch-norwegische Strompartnerschaft gibt es bereits: Seit 2008 ist ein 700-Megawatt-Seekabel zwischen Feda in Norwegen und Eemshaven im Norden der Niederlande im Betrieb. Diente es anfangs primär dem Stromexport Norwegens, so floss der Strom im Winter 2010/11 vor allem in die andere Richtung. Ein trockener Herbst hatte zuvor für besonders niedrige Wasserstände in den Reservoirs des Landes gesorgt. Technisch handelt es sich bei »NorNed«, so der Name des Kabels, um eine bipolare Gleichstromleitung, wie sie auch bei den Verbindungen nach Deutschland zum Einsatz kommen dürfte. Bei dieser Bauart werden zwei Kabel parallel verlegt, von denen eines eine positive Spannung zum Erdpotenzial hat, das andere jedoch eine negative. Der Vorteil: Die beiden Leiter müssen nur gegeneinander isoliert und mit einem schwachen Ausgleichsstrom gegen Schwankungen abgesichert werden. Monopolare Leiter müssen hingegen an einem Ende geerdet werden. Bei den Stromstärken ein erheblicher Aufwand: Die Erder sind mehrere Kilometer lang. Wenn sie im Wasser verlegt werden, wird durch die anliegende Spannung nicht zu nutzender Wasserstoff produziert. Die ablaufenden chemischen Reaktionen führen zu hohem Verschleiß. Die Technik für bipolare Gleichstromleitungen gilt mittlerweile als ausgereift und wettbewerbsfähig, auch wenn die doppelte Menge Kabel zum Einsatz kommt.
Doch Technik ist nicht alles, Larsen weiß um die Risiken seines Projekts. Mehrere Planungen für vergleichbare Leitungen zwischen Norwegen und Deutschland sind schon gescheitert. Mal lag es an Willen oder Finanzkraft der Konsortien, dann fehlten entscheidende Genehmigungen. 2001 wurde beispielsweise das von Statnett und E.ON geplante »Wikinger«-Kabel gestoppt, das 700 Megawatt auf dem Boden der Ostsee transportieren sollte. »Man weiß nie, welche Rückschläge es gibt, sei es bei der Akzeptanz der Bevölkerung, sei es eine bedrohte Froschart, die im Kabelschacht entdeckt wird.« Realistisch sei, dass Ende 2016 eine erste Leitung steht. Bis 2020 könnten dann zwei Gigawatt zwischen den Ländern hin- und hergeschoben werden – ein Achtel des Wertes, den der Stromerzeuger Statkraft langfristig in Pumpspeicherwerken puffern will.
Die Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen Norwegen und anderen Ländern sind nach Meinung einiger Vordenker nur der Anfang eines Nord- und Ostsee-Hochleistungsnetzes, das eines Tages die Meeres-Windparks einbeziehen wird. Der dort erzeugte Strom soll in Zeiten hoher Nachfrage nach Süden fließen, bei schwacher Nachfrage hingegen direkt zur Speicherung nach Norden. In ein solches Netz sollen auch die Ölförderplattformen im Meer einbezogen werden, denn diese sind große Stromverbraucher. Bislang wird der Strom auf den Plattformen oft direkt aus dem Rohöl erzeugt. Dabei handelt es sich um sehr »schmutzigen« Strom mit hohen Emissionswerten und geringem Wirkungsgrad. Technisch wäre das alles machbar, bestätigt Larsen. Man plane heute schon so, dass später zusätzliche Auffahrten auf die Stromautobahn zugebaut werden können. »Jetzt geht es uns aber zunächst einmal darum, überhaupt ein Kabel zu bauen, mit dem wir die beiden Länder verbinden. Das ist schon komplex genug.«
Auch wenn die norwegische Batterie nicht unseren gesamten Windstrom-Überschuss speichern kann, auch wenn der Bau von Unterseeleitungen Zeit braucht: Es ist sicher richtig, das Mögliche möglich zu machen. Denn der Gesamt-Wirkungsgrad einer solchen Energiekette ist fast nicht zu schlagen: Die Turbinen in einem Pumpspeicherkraftwerk arbeiten mit einer Effizienz von fast neunzig Prozent. Um das Wasser bergauf zu pumpen, benötigt man rund 10 Prozent des angelieferten Stroms. Beim Transport per Hochspannungs-Gleichstromleitung gehen noch einmal drei Prozent je 1000 Kilometer verloren. In Summe sind rund 70 Prozent Wirkungsgrad zu erwarten – und das von Strom, der ansonsten gar nicht produziert werden würde, weil man die Windkraftanlagen drosseln müsste.
Nur sollte man die Hoffnung nicht überfrachten. Wenn die Deutsche Umwelthilfe behauptet, die norwegische Wasserkraft könne 60 Atomkraftwerke in Kontinentaleuropa ersetzen, dann hat sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Oder wie es Stein
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