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Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Titel: Abgeschnitten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek , Michael Tsokos
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Sektionstische standen einige Meter entfernt und damit in unerreichbarer Ferne, ganz davon abgesehen, dass sie fest im Boden verankert und damit unbeweglich waren.
    Aber die Liege!
    Linda nutzte eine Ruhepause, die der Fremde vor dem Eingang offenbar nötig hatte, um sich die Rolltrage zu greifen, mit der sie die Richterin transportiert hatten. Ohne groß darüber nachzudenken, ob sie damit wirklich etwas ausrichten konnte, kippte sie die Liege hochkant und ließ sie nach vorne gegen die Tür fallen. Dadurch öffnete sich eine Schublade des Instrumentenschranks, und verschiedenste Gegenstände fielen heraus. Neben Plastikschläuchen, Holzspateln und Gummibändern bemerkte Linda zwei lange, angespitzte Metallstäbe, die wie Eispickel aussahen und die ihr wie ein Geschenk des Himmels erschienen.
    Unter dem Wummern der von außen erneut auf die Stahltür einprasselnden Schläge schnappte sich Linda einen der Pickel und stieg auf den Instrumentenschrank. Dadurch war es ihr möglich, die obere Gleitschiene der Tür mit den Händen zu berühren. Fieberhaft tastete sie an ihr entlang, bis sie auf das stieß, was sie gesucht hatte.
    Eine Schraube!
    »Was wollen Sie von mir?«, schrie sie, ohne eine Antwort zu erhalten.
    Die Wucht der Schläge, die die Tür erzittern ließ, ließ auch Linda bei jedem Treffer erschrocken zusammenzucken, weshalb sie mehrfach ansetzen musste, bis es ihr gelang, die Spitze des Metallstabs zu plazieren.
    Vor Angst und Verzweiflung außer sich, schlug sie mit der bloßen Hand gegen den Gummigriff des Pickels, setzte dann noch einmal neu an und glaubte tatsächlich zu spüren, wie es ihr gelang, die Schraube ein wenig zu lockern. Sie stellte sich vor, sie müsste dem Killer da draußen einen Zahn aus dem Gebiss brechen, drückte die Spitze noch weiter in die Schiene
(ins Zahnfleisch hinein)
und riss dann den Hebel nach oben.
    Hat es funktioniert? Steht die Schraube jetzt so weit ab, dass sie die Schiene blockiert?
    Linda wusste es nicht. Sie hatte auch keine Ahnung, weshalb die Geräusche im Gang vor der Pathologie auf einmal verstummt waren, kurz nachdem sie von dem Instrumentenschrank heruntergestiegen war.
    Am ganzen Körper bebend, eine Hand um den Eispickel gekrallt, die andere in den Haaren vergraben, starrte sie die Tür an, die sich nicht mehr bewegte.
    Tränen schossen ihr in die Augen, als ihr klarwurde, dass sie irgendwann zwischen dem Versuch, mit der Liege eine weitere Barriere zu schaffen, und ihren Bemühungen, die Schraube zu lockern, die Kontrolle über ihre Blase verloren haben musste. Der Fleck zwischen ihren Beinen wurde langsam kalt und fügte der Mixtur grässlicher Gefühle noch das der Scham hinzu.
    Und jetzt?
    Linda ahnte, dass sie sich allenfalls einen geringen Zeitaufschub erarbeitet hatte. Und sie würde es ohne fremde Hilfe nun niemals mehr nach draußen schaffen. Das letzte bisschen Kraft, das noch in ihr gesteckt hatte, war verbraucht.
    Erschöpft sank sie mit dem Rücken an die Wand gepresst zu Boden und vergrub das Gesicht in den Händen. In ihren Ohren rauschte es so laut, dass sie nicht einmal mehr ihren eigenen keuchenden Atem hörte.
    Ganz zu schweigen von dem leisen Klacken, mit dem sich die Tür des zweiten Leichenkühlschranks von innen öffnete, kurz nachdem Linda für einen Moment die Augen geschlossen hatte, um die Aussichtslosigkeit ihrer Lage zu überdenken.

55. Kapitel
     

    D as Erste, was Linda registrierte, war die Stimme, die ihr gleichsam vertraut wie unwirklich erschien. Dann öffnete sie die Augen und bemerkte, dass einige Zeit vergangen sein musste, denn das Notstromaggregat lief wieder und damit auch die Deckenbeleuchtung.
    Ihr blieb keine Zeit mehr, darüber nachzudenken, weshalb sie den Mann, der sie wie ein Schraubstock umklammert hielt, nicht hatte kommen hören. Die Frage, ob sie tatsächlich vor Erschöpfung eingeschlafen war, war unwichtig angesichts der zu erwartenden Schmerzen.
    Angesichts meines nahen Todes.
    »Erkennst du mich nicht?«, nuschelte der Psychopath, dem Linda keinen Namen geben wollte, nicht einmal in Gedanken. Denn seinen Namen zu formulieren hieße, ihr Ende zu akzeptieren.
    Sie wollte aufstehen, aber das ließ der Mann nicht zu, indem er sie, an den Oberarmen gepackt, mit dem Rücken gegen die Wand drückte.
    »Ich habe mich ein wenig verändert, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben«, sagte der Kerl und klang dabei, als spräche er mit vollem Mund, obwohl sein Gesicht aussah, als wäre das Gegenteil der Fall.

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