Abgeschnitten: Thriller (German Edition)
Handy mit dem Zigarettenanzünder von Ingolfs Porsche verband. Zum Glück hatte er daran gedacht, es von zu Hause mitzunehmen.
»Ja, aber nur ein bisschen. Das hat allerdings schon ausgereicht, um Ender in die Flucht zu schlagen«, versuchte sich Linda mit Galgenhumor.
Herzfeld biss sich nachdenklich auf die Unterlippe.
Das alles ergibt keinen Sinn.
Während die fehlenden Kiefergelenke der Frau ihre Identifikation erschwerten, deutete die abgeschnittene Zunge des Mannes auf eine andere Intention des Mörders hin. Das wenige Blut sagte Herzfeld, dass der Schnitt kurz nach dem Todeseintritt durchgeführt worden sein musste. Unmittelbar davor wäre die Blutmenge im Mund sehr viel größer gewesen.
Wie passte das zusammen?
Plötzlich wurde das Bild einer herausgerissenen Zunge von dem seiner lachenden Tochter überlagert, und Herzfeld schüttelte den Kopf, um Hannah aus seinen Gedanken zu vertreiben. Da er zu schwitzen begann, suchte er in der Armada an illuminierten Schaltern im Armaturenbrett nach dem Knopf, mit dem sich die Sitzheizung ausschalten ließ. Dabei fragte er Linda, ob sie eine Möglichkeit habe, ihm ein Foto der Leiche zu schicken. Ingolf zog die Augenbrauen hoch und bedachte den Professor mit einem »Na, das wird ja immer besser«-Blick.
Nicht der erste seit Beginn ihrer Fahrt, die laut Anzeige des Navigationssystems noch vier Stunden und siebenunddreißig Minuten dauern sollte, bis sie in Cuxhaven die Fähranlegestelle nach Helgoland erreicht haben würden. Es war nicht zu übersehen, dass der Praktikant darauf brannte, endlich eingeweiht zu werden. Vermutlich bereute Ingolf seine Hilfsbereitschaft bereits, aber offenbar hoffte er, mit dem Fahrdienst seinen Patzer von heute Morgen wiedergutmachen zu können. Er hatte mehrmals nachgefragt, ob Herzfeld ihm eine zweite Chance im Obduktionssaal geben würde, wenn das Wochenende vorbei war.
»Dann komme ich auch mit Brillenband, Professor. Ich schwöre es.«
»Ich habe weder ein Fotohandy noch Netz hier unten«, antwortete Linda.
Also gut, dann musste es bei dieser telefonischen Ferndiagnose bleiben.
Vorerst.
Herzfeld deutete auf die Rücklichter eines Kleinwagens, dem Ingolf seiner Meinung nach viel zu dicht auffuhr, und fragte: »Wenn Sie die Pinzette nach oben Richtung Gaumen einführen, stoßen Sie da auf einen Fremdkörper?«
»Nein, es fühlt sich weich an.«
»Verstehe.«
Anders als bei der Frauenleiche hatte der Täter diesen Schädel nicht von der Mundhöhle aus geöffnet, um darin etwas zu plazieren. Die fehlenden äußeren Kopfverletzungen sprachen auch nicht dafür, dass von anderer Stelle aus ein Loch in den Schädel gefräst worden war, vorausgesetzt natürlich, Linda hatte bei ihrer oberflächlichen Betrachtung nichts Wesentliches übersehen.
»Wie sieht es tief im Rachen aus?«
»Ich kann nichts erkennen, aber ich hab auch keinen Röntgenblick.«
»Haben Sie eine Taschenlampe?«
»Ich hab mein Handy. Das Display gibt etwas Licht.«
»Gut, versuchen Sie es damit und stellen Sie sich direkt hinter den Kopf. Dann gehen Sie etwas in die Knie und leuchten von oben in den geöffneten Mund.«
»Oh Mann, das darf doch alles nicht wahr sein …« Linda schimpfte vor sich hin, schien aber seine Anweisungen zu befolgen, denn auf einmal schrie sie auf: »Da ist was!«
»Was?«
»Keine Ahnung. Ist gelb. Sieht aus wie Plastik. Steckt tief unten im Hals.«
Herzfeld spürte sein Herz schneller schlagen.
»Okay, holen Sie es raus.« Pause. Er hörte ein angestrengtes Stöhnen, während Ingolf die Spur wechselte, um ein Streufahrzeug zu überholen. Für einen Moment war das Gespräch vollständig von dem Knistern und Knacken auf den Wagen einprasselnder Salzkörner übertönt. Erst als sie den Laster passiert hatten, konnte Herzfeld wieder verstehen, was Linda sagte: »… geht nicht.«
»Was geht nicht?« Er verkrampfte auf seinem Sitz.
»Es sitzt zu fest. Ich rutsche mit der Pinzette immer wieder ab. Und ganz ehrlich, ich hab auch langsam keinen Bock mehr, einer Leiche im Mund rumzustochern.« Lindas Stimme begann sich vor Wut und Ekel zu überschlagen.
Herzfeld zwang sich, ruhig zu bleiben, obwohl er wusste, dass er im wahrsten Sinne des Wortes sehr wahrscheinlich nur noch wenige Zentimeter von dem nächsten Hinweis entfernt war, den der Entführer für ihn versteckt hatte.
»Ich kann Ihren Widerwillen gut verstehen, Linda. Legen Sie die Pinzette beiseite, so funktioniert das nicht.«
Linda klang erleichtert: »Sie meinen, wir
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