Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Titel: Abgeschnitten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek , Michael Tsokos
Vom Netzwerk:
ihrer Handschuhe in Berührung kamen.
    »Punktförmige Einblutungen in den Augenbindehäuten können auf einen gewaltsamen Erstickungstod hindeuten. Und anders können Sie das nicht überprüfen. Sehen Sie bitte nach, Linda.«
    Schön, das ergibt Sinn.
    Froh, nicht länger den Unterleib inspizieren zu müssen, griff sie zur Pinzette. Ender stöhnte, als spürte er ihre Handlungen am eigenen Leib, dabei ging Linda so vorsichtig wie möglich vor, um auf gar keinen Fall das Auge des Toten zu beschädigen.
    Keine Schmerzen, ein Toter fühlt keine Schmerzen,
sagte sie sich, und dennoch zuckte sie wie unter einem Stromschlag zusammen, als ihr die Pinzette ausrutschte und sie der Leiche direkt in das Weiße des Auges stach.
    »Ja, hier sind kleine dunkelrote Punkte in den Augenbindehäuten. Wie Sprengsel auf einem Taubenei.«
    Herzfeld quittierte diese Nachricht mit einem Grunzen, dann fragte er nach sichtbaren Verletzungen des Halses.
    »Nein. Hier ist nichts zu sehen.«
    »Und seine Kopfhaut? Fällt Ihnen da etwas auf?«, fragte Herzfeld.
    »Er hat etwas Sand in den Haaren, aber es sieht nicht nach Blut oder so aus, wenn Sie das meinen.«
    »Schön, dann sparen wir uns vorerst die übliche Rasur und kommen gleich zur Kopfhöhle. Liegt da ein Holz- oder Metallkeil, den Sie der Leiche unter den Rücken schieben können?«
    Sie drehte sich zu Ender, der nur mit den Achseln zuckte.
    Tolle Hilfe.
    »Eher nicht.«
    »Egal, es muss auch so gehen. Überstrecken Sie bitte den Kopf ganz weit nach hinten und öffnen Sie die Mundhöhle.«
    »Wie oft denn noch? Ich werde den Kerl nicht aufschneiden.«
    Herzfeld schnalzte genervt mit der Zunge. »Das müssen Sie vielleicht auch gar nicht. Es reicht fürs Erste, wenn Sie mit den Fingern die Kiefer auseinanderbiegen.«
    Ich muss den Verstand verloren haben,
sagte sich Linda, nicht zum ersten Mal seit Beginn der Sektion. Ihre Hand schwebte über dem Mund des Toten, die ausgestreckten Finger nur Zentimeter von seinen violetten Lippen entfernt.
    »Das ist doch alles nicht normal hier.«
    »Doch, Linda, wir gehen hier wie bei einer ganz normalen äußeren Leichenschau vor. Schritt für Schritt, so wie wir es auch bei mir im Institut machen würden. Nur so kann ich sicherstellen, dass wir nichts übersehen.«
    »Hilft Ihnen weiter, dass der Typ ein Gebiss trägt?«
    Linda wunderte sich immer mehr über sich selbst. Noch half es, dass sie sich vorstellte, sie wäre in einem Erste-Hilfe-Kurs und würde Wiederbelebungsmaßnahmen an einer Puppe üben. Selbst als sie mit ihren Fingern den Kiefer spreizte, hielt sich ihr Ekel in Grenzen. Die Prothese löste sich mit einem langgezogenen, fast unanständigen Schmatzer vom Gaumen und zog einen dicken Schleimfaden hinter sich her, als Linda sie herauszog und auf den Organtisch legte. Sie dachte schon, das Schlimmste wäre überstanden, bis sie den Fehler machte, noch einmal genauer in den Mund zu sehen.
    »Da fehlt was«, stöhnte sie und begann zu zittern.
    Sie spürte, wie Ender sich ihr von hinten näherte und ebenfalls erschrocken die Luft einsog.
    »Ich bin raus aus der Nummer«, hörte sie ihn sagen, dann entfernten sich seine Schritte.
    »Moment mal …« Herzfeld klang auf einmal sehr aufgeregt. »Fehlen der Leiche etwa die Kiefergelenke?«
    Linda schüttelte den Kopf und führte die Pinzette ein weiteres Mal in die Mundhöhle. Die Finger zitterten wie ihre Stimme: »Nein. Irgendjemand hat der armen Sau hier die Zunge rausgeschnitten.«

19. Kapitel
     

    D
ie Zunge?
    Herzfeld sah zum Seitenfenster hinaus auf die vorbeiziehenden Leitplanken. Es war dunkel, sie hatten Berlin gerade erst hinter Heiligensee verlassen, und es schneite unvermindert, weswegen sie auf der A 24 nur mit Tempo achtzig vorankamen.
    Ist die fehlende Zunge etwa schon der angekündigte Hinweis?
    »Vielleicht hat er sie verschluckt?«, fragte Linda am Telefon.
    »Nein, das ist anatomisch unmöglich.«
    Spätestens seitdem Hannibal Lecter im
Schweigen der Lämmer
seinen Zellennachbarn Miggs auf spektakuläre Weise in den Suizid getrieben hatte, indem er ihn dazu brachte, seine eigene Zunge zu verschlucken, glaubten viele Laien, das sei tatsächlich möglich. In Wahrheit aber kann die Zunge allenfalls erschlaffen, nach hinten in den Rachen rutschen und damit die Atemwege blockieren, aber selbst dann hätte Linda den großen Zungenmuskel auf jeden Fall sehen müssen.
    »Befindet sich Blut im Mundraum?«, fragte Herzfeld und spielte gedankenverloren an dem Ladekabel, das sein

Weitere Kostenlose Bücher