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Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Abgeschnitten: Thriller (German Edition)

Titel: Abgeschnitten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek , Michael Tsokos
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bestialisch. Der Anblick der vibrierenden Madenkörper, die sich aus den Augenhöhlen schälten, entsetzlich. Und Herzfelds Schrei, nachdem er sich endlich einen Ruck gegeben und das Tuch von dem Leichenklumpen gerissen hatte, hallte spitz von den nackten Wänden des Speisesaals wider. Dann begann er zu lachen.
    Herr im Himmel …
    »Gott sei Dank«, sagte Ingolf, dem die Freude allerdings nicht ganz so ins Gesicht geschrieben stand wie dem Professor. Der Praktikant deutete auf den Kopf des Tierkadavers, den Herzfeld soeben freigelegt hatte. »Ich denke, die Symbolik ist nicht allzu schwer zu interpretieren.«
    Herzfeld nickte. »Für Martinek bin ich ein dreckiges Schwein.«
    Und vermutlich hat er recht. Vielleicht habe ich seine Tochter tatsächlich ein zweites Mal getötet, weil ich mich damals an die Vorschriften gehalten habe.
    »Ich bin ein Schwein«, wiederholte er flüsternd.
    »Schön«, näselte Ingolf, die Nase jetzt fest mit der gesamten Faust umschlossen, »nachdem wir das geklärt hätten, macht es Ihnen doch sicher nichts aus, wenn wir uns in einen Raum begeben, der olfaktorisch nicht ganz so gewöhnungsbedürftig ist? Hallo?«
    Herzfeld hörte ihm gar nicht zu, während er langsam um die Tafel schritt. »Sven Martinek war ein Spezialist für Ritualmorde«, sagte er nachdenklich mehr zu sich selbst als zu Ingolf.
    »Und das heißt?«
    »Er war ein Meister der Symbolik. Ein Zahnstocher im Haar einer Toten, post mortem geschnittene Fußnägel, ein Eimer Teppichreiniger neben der Leiche – er erkannte das Muster und damit die entscheidenden Hinweise hinter jeder noch so scheinbar absurden Tathandlung. Wäre er nicht ein so brillanter Rechtsmediziner gewesen, hätte er auch Kriminalpsychologe werden können.«
    »Ich verstehe immer noch nicht, weshalb uns das davon abhält, wieder an die frische Luft zu gehen.« Ingolf trat ungeduldig von einem Bein aufs andere, als müsste er auf die Toilette.
    »Nicht so voreilig«, mahnte Herzfeld und ging in die Hocke, um den faulenden Schweinekadaver aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
    Ingolf stöhnte. »Sie erwägen doch nicht ernsthaft, das Tier zu sezieren?«
    Herzfeld machte eine abwehrende Handbewegung und stand wieder auf. »Nein. Vermutlich würden wir damit unsere Zeit verschwenden. Martinek war ein akribischer Arbeiter, er hat sich immer an feste Arbeitsabläufe gehalten, also werden wir die wichtigen Hinweise nur in menschlichen Leichen finden.«
    »Glauben Sie etwa, dass hier irgendwo welche rumliegen?« Ingolf wurde noch blasser.
    »Ich bin mir nicht sicher, wohin uns die Wegweiser führen werden.«
    Hoffentlich nicht zu Hannah.
    »Wegweiser?«
    »Ja, natürlich.« Herzfeld sah Ingolf kurz in die Augen, bevor er sich wieder zum Tisch wandte. »Die Axt, das Geld, das Asthmaspray – all das ergibt einen Sinn, ebenso wie die Hitze, der Obduktionsbericht und der Kadaver.«
    »Und?«
    »Wir haben etwas übersehen. Denken Sie nach, von Appen. Worauf sind wir auf dem Grundstück zuerst gestoßen?«
    »Schnee.«
    Herzfeld zog verärgert die Augenbrauen zusammen. »Ich rede von den Gummistiefeln.«
    Er fing sich einen argwöhnischen Blick ein. »Sie meinen, die haben auch was zu bedeuten?«
    »Alles geschieht aus einem Grund«, zitierte Herzfeld eine weitere von Martineks Lebensweisheiten, mit denen er im Sektionssaal um sich geworfen hatte, wenn er auf einen merkwürdigen Befund gestoßen war.
    Es ist kein Zufall, dass mir die Stiefel passen.
    »Und wofür stehen diese hässlichen Botten, bitte schön?«, wollte Ingolf wissen.
    »Das ist genau die richtige Frage.« Herzfeld drehte sich zum Erker hinter dem Kopfende der Tafel und gab Ingolf ein Zeichen, ihm zu folgen. Als er so nah am Fenster zum Garten stand, dass sein Atem die Scheibe beschlug, hob der Professor den Arm und deutete nach draußen.
    »Sie stehen für Pfützen, Regen, Nässe, für Wasser im Allgemeinen«, sagte er und zeigte auf ein kleines Bootshaus am Seeufer, zu dem das verschneite Grundstück sanft abfiel. Ein fahles Licht schimmerte matt durch die Löcher der Pappe, mit der das einzige Fenster des grauen Holzschuppens verkleidet war.

30. Kapitel
     

    E s war das Arbeitszimmer eines Besessenen. Herzfeld war sich nicht sicher, ob Martinek es dekoriert hatte, um bewusst ein weiteres Zeichen zu setzen, oder ob sein Kollege in den letzten Wochen wirklich vollends den Verstand verloren hatte.
    Einzig ein altes Ruder neben der Eingangstür erinnerte noch an den ursprünglichen Zweck

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