Abgezockt
ein Unternehmen verloren. Dexter betrachtete das als Futterneid. Ihre unbefriedigte Gier, das war der Grund für die Bestürzung. Er erwies der Allgemeinheit doch nur einen Dienst, und wie alle guten Taten wurde auch diese belohnt. In diesem Fall mit Geld. Mit klingender Münze. Öffentlich stand er als der Gute Samariter da, aber nach seiner eigenen heimlichen Überzeugung hatte er geschickt eine Geschäftsmöglichkeit ausgeschöpft.
Das Geschäft vergrößerte sich lawinenartig. Innerhalb einer einzigen Woche erhielt Pinnacle Investments dieselbe Anzahl von Anträgen auf Versicherungsübernahme, die vor zwei Jahren in einem Monat eingegangen war. Bei dem Tempo, mit dem ihre Klienten starben, konnte die Firma beliebig viele neue aufnehmen.
Die Katastrophe trat ein, als man sensationelle Durchbrüche in der Behandlung tödlicher Krankheiten erzielte. Der Hauptfortschritt bestand in der Behandlung von HIV mit sogenannten Reversetranskriptase- und Protease-Hemmstoffen. Die neuen Medikamente schienen das Blut zu reinigen. Arzneimittel mit Namen wie Nofinivir, Thyrimmune, Thydex und Yered schossen wie Pilze aus dem Boden. Dexter Tyrells Klienten hatten dank des Verkaufs ihrer Versicherungen genug Geld, um die neuen Therapien bezahlen zu können. Die Folge war, dass sie nicht mehr starben wie geplant.
Die Mehrzahl von diesen Klienten waren HIV -Patienten. Wie sehr Dexter doch wünschte, die neuen Medikamente würden versagen! Sie bedeuteten, dass die Lebenserwartung bis zu zehn oder fünfzehn Jahren verlängert werden konnte, mit einer nie geahnten Lebensqualität. Zugleich hofften die Patienten, dass sich in zehn bis fünfzehn Jahren ein Heilmittel finden ließe. Nun drohte Pinnacle Investments und dessen Anlegern die unliebsame Aussicht eines Bankrotts.
Im Lauf der nächsten achtzehn Monate sah die zuständige Firmenabteilung ihre Einnahmen versiegen und ihre Ausgaben steigen. Es waren viele Beiträge zu zahlen. Dexter Tyrell wurde sein kurzsichtiges Geschäftsmodell vorgeworfen. Man gab ihm die Schuld am Untergang des Konzerns.
Es machte Tyrell Ehre, dass ihm im Moment höchster Bedrängnis die rettende Idee kam. Er hatte diversifiziert, seine Investitionen neu verteilt und gemischt und die HIV -Opfer durch Patienten ersetzt, die wahrscheinlich nicht überleben würden – Erkrankungen wie Krebs, Alzheimer und Multiple Sklerose, Herzleiden. Auch Personen mit gefährlichen Berufen oder Erbkrankheiten waren willkommen.
Diese Maßnahmen nebst ein paar anderen, die er vor dem Vorstand geheim hielt, hatten die Abteilung für Lebensversicherungen vor dem Zusammenbruch bewahrt. Er war ein Held. Der Vorstand sollte ihm dankbar sein. Aber es gab keinen Dank.
Die Uhr auf dem Schreibtisch zeigte Tyrell, dass seine zehn Minuten abgelaufen waren. Er nahm die Kopie des Quartalsberichts sowie sein Präsentationsmaterial und machte sich auf den Weg zum Vorstandszimmer.
[home]
8
S chon seit Stunden lief Josh im Haus umher. Bell hatte für heute Mittag ihren Anruf angekündigt. Jetzt war es zehn nach zwölf. Und zu allem Unglück waren Kate und Abby immer noch da. Er hatte gehofft, sie wären längst außer Haus, aber selbst nach mehrmaligem Drängen hatten sie beschlossen, daheim zu bleiben.
Da endlich klingelte das Telefon.
Josh ließ die Zeitung fallen, die er gar nicht richtig gelesen hatte, und sprang vom Wohnzimmersofa auf, um sich den Hörer zu schnappen.
»Josh Michaels.« Selbst er nahm den überreizten Ton in seiner Stimme wahr.
»Josh, wie geht es dir?«, sagte Bell sanft wie eine Schlange.
Er ging zu dem offenen Durchgang zwischen Wohnzimmer und Diele, wo er sämtliche Türen des Erdgeschosses im Blick hatte.
Er musste seiner Frau und seiner Tochter eine gute Show liefern. Es musste natürlich klingen, so als spräche er mit einem alten Freund, nicht mit seiner Erpresserin, und dies gelang ihm recht überzeugend. »Gut, gut, und selbst?«, sagte er freundlich.
Kate kam mit einem Arm voll Wäsche die Treppe herunter.
»Wer ist es denn?«, fragte sie.
»Sekunde bitte.« Josh hielt die Sprechmuschel mit einer Hand zu. »Fliegerklub.«
Kate nickte und trug die schmutzigen Sachen in die Küche.
Josh hörte unwillkürlich Bells Lachen, während er mit Kate sprach. Am liebsten hätte er sie angeschnauzt, aber er unterdrückte diesen Wunsch. Er nahm seine Hand vom Hörer.
»Hallo«, sagte er.
»O Josh, du bist so komisch. Du lügst so gut. Das hast du echt drauf.«
Ohne ihren Spott zu beachten, behielt er
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