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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Großvater, ihrem Vater, geraten bin, der ein gedrungener, hässlicher Kerl war? An den sie sich ungern erinnert, weil er seine Kinder oft und eigenhändig verprügelte? Mir ist es freilich wichtiger, dass ich von meinem Vater den Verstand geerbt habe, nicht seine sechs Fuß, seine blauen Augen und seine Locken … auf das alles verzichte ich gern. Das hat Heinrich geerbt, aber sonst nichts von ihm.“
    „Trotzdem bist du auf ihn eifersüchtig.“
    |236| „Wenn du es Eifersucht nennst, weil ich ihn nicht zum Herzog oder Markgrafen mache, damit meine Mutter eine Freude hat … dann bist du im Recht.“
    „Was hast du mit ihm vor? Auch ich will es jetzt wissen, Odda! Du lässt ihn belagern, Gero soll ihn dir ausliefern. Du willst ihn doch nicht etwa …?“
    „Wie?“
    „Neulich, als du mit Hadalt und den anderen beim Spiel saßest, hörte ich …“
    „Ich weiß, ich weiß!“ Er lächelte beruhigend, schob einen Hocker neben ihren Armstuhl am Fenster, setzte sich und legte die Hand auf die Felldecke, die über ihren Knien lag. „Ich war stockbetrunken und habe Unsinn geschwatzt. Du hast doch nicht etwa alles geglaubt?“
    „Wie könnte ich? Erst hast du gottlose Sachen gesagt …“
    „Aus jedem Zecher spricht der Teufel. Der Wein ist bekanntlich Teufelswerk, mit ihm verführt er den Ärmsten, Gott zu lästern. Von Zeit zu Zeit passiert einem das. Am nächsten Morgen ist man dann wieder vernünftig und gottesfürchtig. Bin ich denn nicht ein frommer König? Bin ich nicht der eifrigste Förderer unserer heiligen Kirche … ihr erster Diener im Reich?“
    „Du hast gesagt, die Geschichte, die Dadi verbreitete, sei unwahr. Und er hätte damit … in deinem Auftrag … einen furchtbaren Zweck verfolgt …“
    „Der Zweck war ein guter, das hast du nur nicht richtig verstanden. Und der Wein hatte mir die Zunge verdreht, so ist wohl manches verkehrt herausgekommen. Gewiss, ich hatte die heilige Lanze nicht bei mir. Die große Schlacht war nur ein kleines Gefecht. Aber ist es nicht gut, dass alle Welt jetzt noch fester glaubt, ich sei mit
ihm
da oben im Bunde?“
    „Dadi sollte verbreiten, dass Heinrich tot sei …“
    „Auch das hatte einen guten Zweck. Damit erledigte sich die ganze Empörung.“
    „Du wolltest in Kauf nehmen, dass er zugrunde ging.“
    Otto seufzte und rieb sich die Stirn.
    „Ja … ja, das wollte ich wohl. In dem Augenblick, als ich Dadi losschickte, wollte ich es … ja, ich leugne es nicht. Ich kann gar nicht sagen, wie oft mich die Wut packte … unterwegs … bei dem Gedanken, dass so ein eitles, machtgieriges Jüngelchen, mein Bruder, |237| mich zwang, schon wieder ein Heer zu sammeln … und hinter ihm her zu ziehen … quer durch Sachsen … quer durch das Reich … über den Rhein … in sinnlosen Kämpfen meine Leute zu opfern … anstatt zu regieren, die vielen nötigen Maßnahmen zu treffen, damit an den Grenzen Sicherheit herrscht … und Wohlstand im Reich … die Lehen gerecht vergeben und die Besten dorthin gestellt werden, wo wir sie brauchen. Wann werde ich endlich Zeit dazu haben? Ja, es ist wahr … Ich sähe sie lieber tot, diese Störenfriede … dieses ganze hochadelige Lumpenpack … die Eberharde und Giselberte und die anderen, die sich nicht damit abfinden wollen, dass einer über ihnen ist! Die mich am liebsten mit einem Katapult in die Wolken schießen würden. Die niemals aufhören werden zu zündeln. Soll ich immer nur kreuz und quer durch mein Reich ziehen, um Brandherde auszutreten? Deshalb müssen sie weg! Aus dem Wege! Zur Hölle!“
    Der König, hochrot im Gesicht, sprang auf, ballte die Fäuste und teilte Schläge gegen Unsichtbare aus.
    „Odda!“, rief Edgith erschrocken. „Bitte beruhige dich. Ich wollte doch nur …“
    „Verzeih mir, mein teurer Engel, verzeih mir!“ Der Zornesausbruch war schon vorüber und Otto setzte sich wieder neben sie und nahm ihre Hand. „Ich wollte dich nicht aufregen … nicht beunruhigen … dir nur erklären, warum ich ihn … Aber wozu noch? Es ist nicht mehr nötig. Im Grunde hab ich ihm schon verziehen. Und was ich meiner Mutter versprach, das werde ich halten. Er wird eine leichte Strafe bekommen, das muss sein, eine kurze Haft wird aber genügen … vorausgesetzt, er gibt auf und zwingt uns nicht zu neuen Anstrengungen. Rede noch einmal mit ihr … mir hört sie nicht zu, sie verliert immer gleich die Fassung und … und auch ich habe Mühe, mich in ihrer Gegenwart zusammenzureißen. Also rede mit ihr! Damit

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