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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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die unsere. So ist es heute das erste Mal, dass wir miteinander reden.“
    „Alles verdanke ich Eurer edlen Frau Mutter, meiner geliebten Wohltäterin“, sagte Petrissa. „Sie hatte so viel Geduld mit mir. Sie lehrte mich alles, auch die Sprache.“
    „Und was macht mein Sohn?“
    „Als ich Abschied von ihm nahm, ging es ihm gut, dem Himmel sei Dank.“
    „Er ist hoffentlich stark und gesund.“
    „Ja, das war er. Nur manchmal hatte er Zahnweh und im Winter erkrankte er einmal, nachdem er Weihwasser getrunken hatte.“
    „Davon erkrankte er?“
    „Ein heiliger Mann, der vorher davon getrunken hatte, reichte es ihm. Ich war nicht dabei und konnte es nicht verhindern. Der heilige Mann litt an Gallenfluss und starb kurz danach. Wilhelm erholte sich, Gott hatte Mitleid mit ihm und schützte ihn.“
    Petrissa bekreuzigte sich und brach plötzlich wieder in Tränen aus.
    Otto drehte sich endlich um und sah sie aufmerksam an.
    „Warum weinst du?“
    Sie zögerte mit der Antwort, wischte mit dem Handrücken die Tränen aus den Augen.
    „Wovor hast du Angst?“, drängte er. „Warum sagtest du eben ‚das war er‘, als ich dich fragte, ob er gesund sei?“
    |75| „Ich kann ja nicht wissen, ob er jetzt noch … Er ist in Gefahr!“, stieß sie hervor und ein verzweifelter Blick ihrer dunklen Augen traf ihn.
    „In Gefahr? Was heißt das? Hat man ihn denn nicht, wie ich befohlen hatte, nach Fulda gebracht?“
    „Ja, vor zwei Monaten schon.“
    „Und dort, im Kloster, soll er in Gefahr sein?“
    „Dort oder anderswo.“
    „Anderswo?“
    „Wo man ihn hinbringen wird, wenn …“
    „Wenn?“
    „Wenn Euer Bruder es befiehlt“, sagte sie mit ersterbender Stimme. „Oder vielleicht schon befohlen hat.“
    „Wie?“, sagte Otto und beugte sich vor. „Mein Bruder? Sprichst du von Tammo oder wieder von Heinrich?“
    „Es war … war Herr Heinrich. Ich bitte Euch, sagt es nicht Eurer Mutter, sonst vergeht sie vor Kummer und Schmerz! Sie liebt ihn doch so …“
    „Mein Bruder stößt also Drohungen aus. War das auch vor zwei Monaten auf der Merseburg?“
    „Nein, es war heute.“
    „Heute? Hier? Und was wollte er damit erreichen?“
    Sie hüllte sich fester in den Mantel, senkte den Kopf und wandte sich ab.
    „Ich habe dir befohlen, die Wahrheit zu sagen!“, fuhr er sie mit gepresster Stimme an. „Was ist heute während des Gottesdienstes geschehen? Er verspätete sich und Blut lief ihm über das Gesicht. Du kamst zuvor aus der Sakristei, nicht gerade nach der Vorschrift gekleidet. Sag mir alles, wenn dir das Leben deines Bruders und das unseres Kindes lieb ist. Rede! Was geht vor zwischen dir und meinem Bruder Heinrich?“
    Sie schwieg und schien nachzudenken. Dann erhob sie sich brüsk, ging ein paar Schritte beiseite, stand noch einmal zwei Atemzüge lang still und drehte sich dann so heftig um, dass der weite Mantel aufschwang, sich öffnete und für den Bruchteil eines Augenblicks ihre Nacktheit enthüllte. Sie achtete nicht darauf, richtete ihren starren, düsteren Blick auf den König und sagte mit harter Betonung:
    „Was soll vorgehen, wenn ein Prinz eine arme, hilflose Fremde begehrt? Wisst Ihr das denn nicht selbst am besten?“
    |76| „So ist das also“, sagte Otto mit kaltem Gleichmut. „Du warst ihm zu Willen?“
    „Nein!“
    „Da drohte er dir.“
    „Das tut er schon lange. Wann immer wir uns begegnen.“
    „Gehabe! Übermut! Er ist nur großmäulig, ungebärdig. Wurde vernachlässigt, falsch erzogen. Spielt gern den Mächtigen, hat aber keine Macht. Schlecht ist er nicht. Aber was hat das auf sich … mit dem Blut?“
    „Ich schlug ihm die Wunde“, sagte Petrissa ohne Zögern.
    „Wie kam es dazu?“
    „Es war während der Messe. Ich stand unter den anderen Stiftsdamen im Chor, aber ganz hinten. Plötzlich geht hinter mir eine Tür auf. Ich werde am Gürtel gepackt und zurückgerissen. Die Tür fällt zu, wir sind allein in der Sakristei. Niemand folgt uns, es hat wohl keiner etwas bemerkt. Ich wage auch nicht zu schreien, will ja die heilige Handlung nicht stören. Er wirft mich auf eine Lade, zerreißt meine Kleider. Verzweifelt wehre ich mich, schlage um mich. Schon ist er über mir. Da kommt mir ein Kelch in die Hand, der stand da auf einem Tischchen. Ich denke, Gott hat ihn für mich dorthin gestellt. Packe den Kelch und treffe ihn irgendwo am Kopf. Er stöhnt, fasst nach der getroffenen Stelle. Ich kann aufspringen, stürze halbnackt, wie ich bin, zur Tür. Drohe die Tür zu

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