Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig
zu haben, dass er das Löschen der letzten Glut Gero allein überlassen konnte. Zeit war es, aufzubrechen und dem widersetzlichen neuen Bayernherzog, der ihm den Treueid nicht leisten wollte, seine reichsfeindlichen Gelüste auszutreiben. Otto hoffte, dass es nicht zum Kampf kommen, sondern dass eindrucksvolle Herrscherpräsenz den Sturkopf beeindrucken und rasch zur Vernunft bringen werde. Freilich waren |107| nun erhebliche Kräfte an der Ostgrenze gebunden und Boten mussten ausgeschickt werden, um zusätzlich Kriegsvolk aus ganz Sachsen herbeizubeordern. In Quedlinburg sollte es sich sammeln, wo der König, wie der Mutter versprochen, mit seiner Familie das Osterfest feierte.
Edgith wäre danach am liebsten nach Magdeburg zurückgekehrt, doch Otto bestand darauf, dass sie ihn mit den Kindern nach Bayern und später zum Hoftag in Stela begleitete. An den Tagen um Ostern herrschte unter den Mitgliedern der Königsfamilie eine gespannte, ungute Stimmung. Königinmutter Mathilde war zwar bemüht, eine erneute offene Auseinandersetzung während des heiligen Festes zu vermeiden, doch gab sie durch ihre verschlossene Miene, durch Seufzer, Gesten und gallige Bemerkungen zu verstehen, wie sehr sie ihrem Sohn Otto verübelte, dass er die glorreichen Wendensiege seines Vaters schon im zweiten Regierungsjahr verspielte.
So schieden der König und seine Mutter auch diesmal frostig. Otto wollte keine Zeit verlieren und brach schon am Tage nach Ostern auf. Heinrich zog nach Westfalen zu seiner Burg Belecke, musste aber versprechen, rechtzeitig zum Hoftag in Stela zu sein. Das sagte auch Thankmar zu, der Otto und Edgith zum Abschied lächelnd umarmte und sie zu seiner Hochzeit einlud, die er in Bälde auf einer seiner thüringischen Burgen feiern wollte. Angenehm berührt, glaubte Edgith auch diesmal, wie schon zuletzt in Magdeburg, dass sich der düstere Schweiger und Störer offenbar unter dem Einfluss der Liebe zu seinem Vorteil veränderte.
Bei stürmischem, wechselhaftem Wetter setzte sich der lange Zug in Bewegung. Otto wartete nicht ab, bis seine Truppen vollzählig und alle Herbeibefohlenen eingetroffen waren. Nachzügler sollten in Eilmärschen aufschließen.
Zunächst ging es zur Merseburg, wo man rastete, dann die Saale aufwärts, schließlich durch das schmale Waldgebiet zwischen den Quellen des Mains und der Eger zur Naab, der man geradewegs flussabwärts bis zu ihrer Mündung in die Donau zu folgen hatte. Dort lag der bayerische Hauptort Regensburg.
Die Straße war nur ein breiter, ausgetretener Sandweg voller Mulden und Löcher, mit tiefen Wagenspuren, von Reitertrupps und Viehherden zertrampelt. An einer tückischen Wegbiegung brach ein Rad des Wagens der Königin, der umkippte, mit der Folge, dass |108| Edgith hinaus und in ein Schlammloch geschleudert wurde und sich sehr schmerzhaft an der Schulter und an den Beinen verletzte. Die Kinder waren zum Glück nicht betroffen, sie fuhren mit ihren Betreuern an diesem Tag in einem anderen Wagen. Die Königin litt, verbrachte schlaflose Nächte und ihre Pflege verzögerte den Weitermarsch um eine halbe Woche.
Trotz der Sorgen, die ihn plagten, war der König unterwegs ständig um sie und die Kinder bemüht. Wurde gerastet, ergriff er manchmal ein Messer und schnitzte für Liudolf und Liutgard Figürchen von Elfen und Kobolden. Manchmal spielte er mit ihnen Ball, lehrte sie auch neue Brettspiele. Auf dem Marsch hielt er sich gewöhnlich in der Nähe des Wagens der Königin, ritt immer mal wieder heran und lupfte die Plane. Edgith war nach dem Sturz noch geschwächt und das Gerüttel verursachte ihr Beschwerden, trotz des Kissenbergs auf der Sitzbank, den man ihr untergelegt hatte. Um ihr Mut zu machen, erzählte er ihr dann, dass man in Kürze am Ziel sein werde und machte schon einmal aus sechzig Meilen, die noch zurückzulegen waren, dreißig. Oder er schwärmte ihr etwas von dem glänzenden Empfang vor, den ihnen der Bayernherzog bereiten werde, von den Annehmlichkeiten, die ihnen als königlichen Gästen bevorstünden. Es sei nun einmal die Gewohnheit der Bayern, sich immer erst einmal quer zu stellen, sie wollten besucht, umworben und mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt werden. Sechzehn Jahre zuvor habe sich Herzog Arnulf nicht anders benommen, sich sogar selbst von seinen Großen zum König ausrufen lassen, doch rasch klein beigegeben und den Treueid geleistet, als König Heinrich mit seiner überlegenen Streitmacht anrückte. Ein schönes Fest habe
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