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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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damals den sächsisch-bayerischen Zwist beendet, als Knabe sei er dabei gewesen. So und nicht anders – davon war Otto tatsächlich überzeugt – würden sich auch Arnulfs Söhne verhalten.
    Wie täuschte er sich! Regensburg wurde nach drei Wochen erreicht, doch kein Tor tat sich auf zum Empfang des Königs. Keinen Eindruck machten die schimmernden Rüstungen und die im Sonnenlicht blinkenden Speere der Panzerreiter, schon gar nicht die Strohhüte und plumpen Schilde der sächsischen Fußkrieger. Abgesandte sprengten hin und her, Botschaften wurden ausgetauscht. Der neue Bayernherzog – auch er hieß Eberhard und war wie Otto im Jahre 912 geboren – ließ seinen Unterhändler eine Liste von |109| Forderungen vortragen, deren vollständige Erfüllung ihm der
„König der Franken und Sachsen“
erst zusagen müsse, bevor er zu einer Begegnung bereit sei. Es waren dieselben Privilegien, die König Heinrich seinem Vater Arnulf zugestanden hatte, die Otto aber um keinen Preis zu erneuern wünschte: Bischofsinvestitur, Nutzung des Königsguts auf bayerischem Boden, uneingeschränkte Freiheit, Bündnisse einzugehen und Kriege zu führen.
    Abgelehnt! ließ Otto mitteilen. Erst der Treueid und Anerkennung des Königs als Oberherrn. Danach Verhandlungen über Wünsche des Vasallen, die er wohlwollend prüfen werde.
    Das Tor blieb geschlossen. Der König, seine Familie, sein Hofstaat und mehr als tausend Mann Kriegsvolk lagerten in Zelten am Donauufer. Schneidend kalter Wind wehte vom Fluss her. Zur Versorgung mussten in nahe liegenden Ortschaften Vieh und Getreide beschlagnahmt werden. Die nach dem langen Marsch übellaunigen sächsischen Krieger glaubten sich um ihren Lohn betrogen und leisteten sich dabei Übergriffe. Edgith, noch immer leidend, harrte mit den Kindern geduldig im Königszelt aus und beschwor Otto ein um das andere Mal, lieber Zugeständnisse zu machen, als im eigenen Reich zu brennen und zu rauben. Er sandte dem Herzog noch einmal eine Botschaft, in der er ein wenig nachgab und die weitere Nutzung einiger Königsgüter in Aussicht stellte. Der Bote wurde nicht einmal zum Herzog vorgelassen, sondern von dessen jüngerem Bruder mit einer barschen Antwort abgewiesen: Der
„König der Franken und Sachsen“
benehme sich ja schon in Bayern, als sei er im Feindesland – gut, wenn er Krieg wolle, könne er ihn haben.
    So entschloss sich Otto zur Belagerung Regensburgs, doch schon am Ende der ersten Woche brach er sie ab. Zeit war es, nach Stela aufzubrechen. Sich bei seiner Reichsversammlung zu verspäten, weil die Bayern ihn vor der Tür stehen ließen, konnte er sich nicht leisten. Es wäre ein sichtbares Eingeständnis seines Scheiterns gewesen, mit einem nicht wiedergutzumachenden Schaden für sein Ansehen. Zudem fiel ein nüchterner Vergleich des Kräfteverhältnisses klar zu seinen Ungunsten aus. Einen Sturm auf die Mauern konnte er mit den vorhandenen Kräften nicht wagen, er wollte auch Blutvergießen vermeiden. So würde es Monate dauern, bis die stark befestigte, mit Vorräten gut versorgte Stadt, in der es wohl fast so viele Verteidiger gab, wie er |110| Angreifer aufbieten konnte, durch Hunger bezwungen sein würde. Der König hatte keine andere Wahl, als den Abmarsch zu befehlen. In einer Rede an das Heer suchte er den Eindruck zu zerstreuen, er habe versagt und sei gedemütigt worden. Noch im selben Jahr, versicherte er, werde er an diesen Ort zurückkehren, die Empörer bestrafen und einen neuen Herzog von Bayern als treuen Vasallen ins Reich zurückführen.
    Der Einzige, der den Abmarsch mit Freudenschreien begrüßte, war der kaum achtjährige Liudolf. Zum ersten Mal war ihm erlaubt, von der Wagenbank in den Sattel zu wechseln. Die Königin widersetzte sich dem zunächst, doch Otto erklärte, höchste Zeit sei es, ernsthaft mit seiner Erziehung zu beginnen. Auf einer kleinen sanften Fuchsstute durfte Liudolf täglich eine kurze Zeit an der Seite seines Vaters reiten. Er war ein robuster Knabe, ein kleiner Raufbold mit wachem Verstand und rascher Auffassungsgabe. Aber was stand ihm bevor? Wenn die Königin Vater und Sohn mit wehenden Mänteln im Sonnenlicht nebeneinander reiten sah, glaubte sie, ein Gefühl des Stolzes müsse sich nun in ihr regen. Stattdessen drängten sich jedes Mal trübe Gedanken vor. Sie wurde den Verdacht nicht los, Otto glaube nicht mehr an sich, sehe nach all den Unglücksfällen seinen Stern bereits sinken und beeile sich deshalb, so rasch wie möglich seinen

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