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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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beiden Konrade mit den Friedensstörern. Auch Hermann Billung wurde noch immer vermisst, er sollte mit seinen Sachsen dem Reichsheer endlich zu eindrucksvoller Stärke verhelfen. Doch er blieb aus und der Grund dafür war nicht schwer zu erraten: Noch immer bedrängten ihn die wendischen Stämme.
    Edgith wusste jedoch, dass etwas anderes Otto am schmerzlichsten traf. Er vermied es, mit ihr darüber zu sprechen, doch es gab für sie keinen Zweifel. Fing sie selbst davon an, wehrte er unwirsch ab oder hatte für die Säumigen eine Entschuldigung.
    Nicht einer seiner drei Brüder war anwesend. Der ihnen angegebene Zeitpunkt, zu dem sie sich einfinden sollten, war längst überschritten. Was war geschehen? Hatte Thankmar, vom weit entfernten Thüringen kommend, den Weg verfehlt? War Heinrich, dessen |113| Burg Belecke am Rande des fränkisch-sächsischen Grenzgebiets lag, in die Kämpfe verwickelt? Nicht einmal Brun war aus dem nur hundert Meilen entfernten Utrecht angereist. War dem Dreizehnjährigen etwas zugestoßen?
    Schließlich war es unmöglich, den Hoftag länger hinauszuschieben, ohne unter den Versammelten den Argwohn zu wecken, der König sei nicht mehr Herr des Geschehens.
    Am 18. Mai eröffnete Otto die Reichsversammlung. Es war ein Hoftag ohne Glanz, denn fast alle Großen des Reiches fehlten. Die Rede des Königs beschränkte sich auf ein paar schmale Erfolge gegen Wendenstämme und die Vernichtung eines Magyarenhaufens. Danach wurden Rechtsfälle vorgebracht und Otto zog das oft kleinliche Gezänk um Besitzstände und Erbansprüche in die Länge, um davon abzulenken, was tatsächlich auf dem Spiel stand und was er vor dieser Rumpfversammlung der Unbedeutenden nicht verhandeln wollte: die Zukunft und den Erhalt des Reiches. Als ein wütender Streit darüber ausbrach, ob die Söhne eines verstorbenen Vaters gleichberechtigt mit dessen Brüdern, ihren Onkeln, vom Großvater erben dürften, befahl er, die Sache nach alter Sitte durch ein Gottesurteil zu entscheiden. Im Grunde hielt er nicht viel von dieser Form der Urteilsfindung, doch mit der Vorbereitung auf den gerichtlichen Zweikampf verging wieder viel Zeit.
    Es siegte der Mann, der die Enkel vertrat, und während ihn seine Parteigänger becherschwingend feierten, erreichten gleichzeitig und fast unbemerkt, aus entgegengesetzten Richtungen kommend, zwei Männer die Pfalz, die wichtige Nachrichten überbrachten.
    Konrad Kurzbold begab sich sofort zum König. Bischof Bernhard suchte zuerst die Königin auf.
    Edgith hatte sich schon in ihre Gemächer zurückgezogen, erschöpft von den Pflichten des Hoftags, dem Gedränge, dem Lärm, den Dünsten der schwitzenden Körper und selten gereinigten Kleider, den vielen aufdringlich vorgebrachten Forderungen um Fürsprache. Ihr Bad war in dem hölzernen Zuber gerichtet, den sie immer auf Reisen mit sich führte. Sie wollte nichts und niemanden mehr hören und sehen, auch nicht den Bischof, den ihr eine ihrer Frauen meldete. Doch er ließ sich nicht abweisen, bat um Gottes Willen, empfangen zu werden.
    Sie erschrak bei seinem Anblick. Von Reisestaub bedeckt, bleich und erschöpft, mit Schultern und Füßen zuckend, bot er |114| ein Jammerbild. Noch trauriger war, was er mitzuteilen hatte. Der König hatte ihn als Gesandten zum Herzog von Lothringen geschickt und diesen dringend zum Hoftag laden lassen. Doch Herzog Giselbert hatte Bernhard, den hohen Geistlichen, wie einen lästigen Bittsteller behandelt und ihn kurzerhand mit den Worten verabschiedet, er habe keine Zeit für die Reise nach Stela und der Bischof solle nur seinen „teuren Schwager Odda recht herzlich grüßen“.
    Bernhard brach in Tränen aus. Wie sollte er das dem König melden? Das hieß doch nichts anderes, als dass Lothringen wieder einmal verloren war. Zur Herzogin Gerberga, mit der er ebenfalls sprechen sollte, habe er überhaupt nicht vordringen können. Der König, der ihn nicht leiden könne, werde ihn für sein Versagen bestrafen und ihn vielleicht sogar aus dem Amt jagen. Edgith suchte ihn zu beruhigen und versprach, ihren Gemahl so schonend wie möglich auf die traurige Botschaft vorzubereiten.
    Sie hatte sich längst zur Ruhe gelegt, als Otto endlich, nach Wein, Rauch, Schweiß, Pferden und Hunden riechend, schwankenden Schrittes das Schlafgemach betrat, sich entkleidete und neben ihr ausstreckte. Er ließ die einzige Kerze brennen und starrte schwer atmend zur Decke. Edgith richtete sich neben ihm auf, wagte aber nicht zu sprechen. Sie

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