Abgründe (German Edition)
Güte. Ethan trat einen Schritt vor und antwortete dem Verrückten: »Ich bin hier!«
Die unruhigen Augen des Mannes fanden ihn und Ethan empfand nichts als Abscheu.
»Ethan Hayes, kommen Sie nach oben. Allein!«
Ethan und sein Partner sahen einander an. Sie beide hörten das Zittern in der Stimme des Entführers. Er war nervös. Er wusste, sie würden nicht gehen, ohne Madison West befreit zu haben – wenn das überhaupt noch möglich war.
Ethan ignorierte den kalten Schauer, den der Gedanke, sie könnten zu spät kommen, ihm über den Rücken jagte. »Ich soll zu Ihnen hochkommen? Wieso?«
»Ich will Ihnen alles erklären! Ihnen allein! Ohne Waffen, ohne Verletzte! Los, kommen Sie!«
»Das ist ein ziemlich armseliger Versuch«, knurrte Josh Maxwell, der Boss des SWAT- Teams. »Darauf dürfen Sie auf keinen Fall eingehen, Hayes.«
»Los los, kommen Sie, oder ich tu der Kleinen weh!«
Ethans Puls beschleunigte sich. »Sie hören ihn doch!« Er machte einen Schritt aufs Haus zu, doch Maxwell riss ihn zurück.
»Hayes, wenn Sie jetzt gehen, verstoßen Sie gegen's Protokoll! Lassen Sie uns diesen Scheiß sauber beenden und zwar so schnell wie möglich, sonst gerät die Situation noch außer Kontrolle und der Kleinen passiert ernsthaft was! Meine Männer sind Profis.«
Ethan warf einen prüfenden Blick herüber zu Franklyn.
»Max ist schon ewig im Geschäft, Ethan. Vertrau ihm.«
Ethan blickte herauf zum Fenster. Der Mann war verschwunden. »Scheiße«, knurrte er. »Okay, stürmen wir.«
»Stürmen!«, sagte Maxwell in sein Funkgerät und damit war Madisons Schicksal besiegelt.
Ethan erreichte den Dachboden zuerst und was er dort vorfand, raubte ihm den Atem. Hunderte von Puppen, alle mit rotblondem Haar, saßen auf dem Boden, auf Puppenmöbeln und auf Dachbalken, alle waren sorgsam arrangiert und sahen aus, als spielten sie Ball oder tränken Tee. Doch die schönste aller Puppen saß in einem weißen Kleid auf einem weiß getünchten Stuhl, hatte das Haar zu zwei Zöpfen gebunden und starrte Ethan aus glasigen Augen an. Ethan erkannte sie sofort. Es war Madison West, fünfzehn Jahre alt. Sie war ein klassischer Fall von Trailer Trash, aber sie sah aus wie ein Kindermodell.
Voller Verachtung, die Waffe im Anschlag, blickte Ethan zu dem Perversen, der sich seit neunzehn Tagen an ihr aufgeilte und der jetzt mit einem Feuerzeug bewaffnet hinter ihr stand.
»Einen Schritt näher und ich zünde sie an«, zischte er. Dann hörte er die Schritte auf der Treppe. »Sie sollten allein kommen!« Seine Stimme überschlug sich vor Wut und er ließ das Feuerzeug aufflammen. Das dünne, weiße Kleid brannte sofort wie trockenes Holz.
Von diesem Moment an schien alles gleichzeitig zu passieren. Schüsse fielen, Madisons Peiniger sank zu Boden, Ethan stürzte zu Madison, die die Tortur erschreckend bewegungslos über sich ergehen ließ, vermutlich weil sie mit Drogen vollgepumpt war.
Ethan zog eine Picknickdecke unter zwei rotblonden Puppenmädchen hervor und stürzte sich damit auf das brennende, echte Mädchen. Mittlerweile hatte auch ihr Haar Feuer gefangen und Ethan konnte Brandbeschleuniger riechen. Während er verzweifelt versuchte, die Flammen zu ersticken, wünschte er sich nichts mehr, als dem Wahnsinnigen eine Kugel in den Kopf zu jagen. Und dieser Wunsch sollte ihn von nun an begleiten.
-56-
Als er erwachte, war es tiefste Nacht. Es hatte sich nur wenig abgekühlt und von draußen wehte ein leichter Wind ins Zimmer. Eine Mischung aus salziger Meeresluft und dem würzigen Geruch von Pinien erfüllte den Raum. Doch darunter lag noch etwas. Der Gestank von Feuer.
Ethan sprang aus dem Bett und hätte fast das Gleichgewicht verloren. Er hastete zum Fenster und riss den Vorhang zur Seite. In der Ferne sah er Flammen und eine Menge Rauch. Die örtliche Feuerwehr war bereits dabei, den Brand zu löschen. Obwohl so ein Häuserbrand durch allerlei Dinge verursacht werden konnte, wuchs Ethans ungutes Gefühl.
Mürrisch schloss er die Fenster. Er dachte schon tags genug über die Geschehnisse von damals und ihre Konsequenzen nach. Wilbur Birch war bei seiner Verhaftung nur ins Bein getroffen und nicht ernsthaft verletzt worden. Madisons Körper hingegen war zu dreißig Prozent verbrannt.
Bei seiner Verhandlung hatte Birch Ethan gedroht, ihm das Leben zur Hölle zu machen, sollte er jemals wieder freikommen und diese Drohung sprach für sich. Eine Mordserie in Ethans neuer Heimatstadt, das Feuer an der
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