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Abgründe (German Edition)

Abgründe (German Edition)

Titel: Abgründe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine d’Arachart
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das wundert dich?«
    »Nein. Es macht mir Sorgen.«
    »Ethan… dein Sohn ist zwanzig . Er hat Zwangsferien und ist bei seiner Freundin . Wir haben gerade erst zehn Uhr morgens . Jetzt versuchen Sie mal zu kombinieren, Detective…«
    »Er schläft noch?«
    »Bravo!« Evangeline drehte ihn an den Schultern zu sich herum und küsste ihn kurz.
    Ethan ließ das Handy sinken und betrachtete sie. Ihr Äußeres passte genau zu ihrem Wesen. Sie versuchte niemals jemanden darzustellen, der sie nicht war und sie schien nie etwas zu sagen, das sie nicht so meinte. Ihre großen Augen schauten leicht spöttisch zu ihm hoch und er konnte nicht anders, als ihr beizupflichten.
    »Vielleicht hast du Recht.«
    »Sicher habe ich das.« Sie lächelte und ging vor in die geräumige Küche. »Komm, ich habe Kaffee gemacht.«
    »Ich versuche es nur noch einmal«, rief er ihr nach und wählte erneut.
    Nach dem sechsten Schellen ging Haley endlich ran. Er klang verschlafen. »Dad«, jammerte er. »Hast du mal auf die Uhr gesehen?«
    »Tut mir Leid. Geht es dir gut?«
    »Nein. Ich hab einen mörderischen Kater und wurde zu früh geweckt. Wieso?«
    Ethan grinste leicht. »Schlaf weiter.«
    »Jetzt sag schon. Was ist los?«
    Ethan hörte, wie Haley sich stöhnend aufsetzte. Neben ihm murmelte eine bekannte Frauenstimme etwas in ihr Kissen. Ethan grinste noch breiter.
    »Es ist nichts. Ich wollte ehrlich nur wissen, ob es dir gut geht. Grüß Abby von mir.«
    »Abby, einen schönen Gruß von-«, er brach ab und lachte. »Hey!«
    Ethan runzelte die Stirn.
    »Sie hat mich vernichtend angefunkelt und sich ein Kissen über den Kopf gezogen. Bei ihr hast du mit deinem Weckruf so was von keinen Punkt gelandet, Dad.« Haley lachte noch immer.
    »Sie wird mir schon verzeihen. Hör mal, meldest du dich ab und zu?«
    »Klar. Aber nicht um diese Uhrzeit, das kannst du vergessen. Ich muss meine geschenkten freien Tage genießen, verstehst du?«
    »Geht klar. Ruf nur ab und zu mal an, schreib eine SMS oder E-Mail. Dann bin ich beruhigt.«
    »Okay.« Haley gähnte ungeniert, dann legte er auf.
    Ethan betrachtete sein Handy einen Moment lang ungläubig, dann folgte er Evangeline kopfschüttelnd in die Küche.

-75-
     
    Ethan saß in seinem Arbeitszimmer und versuchte vergebens, die Zeit totzuschlagen. Es war Montagnachmittag und er verbrachte den Tag, seit er von Evangeline nach Hause gekommen war, weitgehend mit Nichtstun. Er musste sich entspannen, um die nächsten Schritte genau zu planen.
    Die wenigen Menschen, die sein persönliches Umfeld ausmachten, wusste er einigermaßen in Sicherheit und vor einer Stunde war auch endlich Madisons Mutter ans Telefon gegangen. Das Gespräch war enttäuschend verlaufen. Ihre Trauer schien nicht sonderlich groß zu sein, wahrscheinlich, weil sie ihre Tochter schon vor Jahren abgeschrieben hatte. Vielleicht aber auch einfach, weil Maddi ihr nie mehr bedeutet hatte als ihre tägliche Flasche Schnaps. Da ihr das Geld für die Überführung der Leiche nach Detroit fehlte, sagte Ethan zu, sich um die Beerdigung zu kümmern. Hier, in Virginia Beach. Madisons Mutter schien erleichtert, sich der Verantwortung zu entziehen und Ethan war seinerseits erleichtert, Maddi so regelmäßig besuchen zu können. Madisons Mutter hatte ihm keinen Vorwurf gemacht, weil sie wahrscheinlich gar nicht so weit dachte, dass ihrer Tochter möglicherweise nichts passiert wäre, wenn sie ihre Heimatstadt damals nicht verlassen hätte.
    Ethan hatte sich eigentlich vorgenommen, auch noch mit Claires Mann zu sprechen, aber wenn er ehrlich war, wäre das reine Heuchelei gewesen. Claire war, genau wie die anderen Opfer des Serienkillers, wegen ihm getötet worden und ein Gespräch mit dem Trauernden hätte daran nichts geändert. Sein Gewissen würde er höchstens beruhigen können, indem er sich an die Arbeit setzte und etwas Sinnvolles tat.
    Er konnte immer noch nicht glauben, dass die Resort City-Bestie ihre Opfer nur wenige Kilometer vom Altenheim seines Vaters entfernt festgehalten und getötet hatte. Vielleicht war Ethan völlig ahnungslos an ihnen vorbeigefahren. Ein unerträglicher Gedanke, aber dieser Fall hatte im Ganzen ohnehin eine gewisse Unerträglichkeit an sich.
    Trotzdem musste er die Trauer, die Selbstvorwürfe und nicht zuletzt die dumpfe Lethargie, die ein Übermaß an beidem in ihm auslöste, in den Hintergrund drängen, wenn er noch irgendetwas Nützliches zur Lösung des Falles beitragen wollte. Er durfte sich nicht verrückt

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