Abgründe (German Edition)
ihm ähnliche Taten begangen hatten und wegen denen das ‚klassische Profil eines Serienmörders‘ existierte.
Er hatte in der letzten Zeit viel darüber gelesen, hatte im Internet recherchiert und sich oft, zu seinem Missfallen, selbst in den Beschreibungen von Männern wie Ted Bundy oder Jeffrey Dahmer wieder gefunden. Obwohl er seine Opfer nie vergewaltigte und in seiner Laufbahn kein einziges Tier verstümmelt, gequält oder getötet hatte, verbanden ihn viele Gemeinsamkeiten mit diesen Männern. Doch wenn er tötete, hatte er jedes Mal das Gefühl, etwas Einzigartiges zu schaffen. Für ihn war es eine Frechheit, dass der Sammelbegriff Serienmörder überhaupt existierte. Da gab es Leute, die jede neue Mordserie auf bestimmte, sich wiederholende Muster überprüften. Dann analysierten sie den Täter und fügten ihn ein in ihre lange Reihe von Gacys, Bundys, Jack the Rippers und Tschikatilos ein. So wurde man einer von vielen. Ein Teil einer Gruppe. Ames fühlte sich in Gruppen seit jeher unwohl. Es hatte ihn immer nur glücklich gemacht, herauszustechen.
Was ihn jetzt gerade, trotz Aufregung und Ärger, einigermaßen zufrieden stellte, waren die kleine, schwarze Tasche auf seinem Beifahrersitz, die voll war mit allen möglichen nützlichen Dingen und Jillian, die gefesselt und geknebelt im Kofferraum lag. Hoffentlich würde er später, im Laufe der Nacht, genügend Zeit finden, sich mit ihr zu beschäftigen. Zuerst würde er herausfinden, ob Jillian Cherry ihr wirklicher Name war und dann hatte er ihr eine ganz andere, weitaus entscheidendere Frage zu stellen.
Vorher musste er jedoch noch diesen armen Idioten erledigen, der das Pech gehabt hatte, ins Visier der Ermittler und somit auch in seines zu rücken – aber das würde ein Kinderspiel werden.
Ames zwang sich selbst zur Ruhe. Er war hier; dem Mann bereits auf den Fersen. Er hatte die Nutte und er hatte sein Werkzeug. Alles lief genau nach Plan. Doch trotzdem ließ ihn irgendwas frösteln.
Am Hintereingang tat sich etwas. Ames schaute genauer hin. Die Tür hatte sich geöffnet und Hanson kam heraus. Blitzlichter zuckten, Mikrofone wurden in seine Richtung gehalten. Er wurde begleitet von zwei bis an die Zähne bewaffneten Streifenpolizisten, die ihn von der Reportermeute abschirmten, so gut es ging. Pfefferspray, Schlagstöcke und beeindruckende Schusswaffen hingen an ihren Gürteln, dunkle Sonnenbrillen im Einheitslook gaben ihnen etwas Bedrohliches, Unnachgiebiges.
Ames warf einen kurzen Blick in den Spiegel. Ihn selbst ließ die Brille eher stylish aussehen. Fast wie einen Filmstar. Es war vielleicht dieses Gesicht, was seinen durchschlagenden Erfolg bei Frauen erklärte. Gegen seinen Willen musste er grinsen, dann hörte er, dass drüben auf dem Parkplatz Fragen gebrüllt wurden. Er konnte sich denken, worum es ging, obwohl er kein Wort verstand.
Es war ein Anblick wie in einer Gerichtsserie. Hanson trug diesen dämlichen, hellgrünen Anzug, in dem er auch verhaftet worden war. Die Mütze, farblich passend zum Arbeitsanzug, hatte er tief ins Gesicht gezogen und hielt den Kopf gesenkt.
Zorn stieg in Ames auf.
Die Reporter von der Vorderseite schienen mittlerweile mitbekommen zu haben, was hinten los war, denn jetzt rannten Männer und Frauen mit Mikrofonen und Kameras zum hinteren Parkplatz, als wäre der Tod höchstpersönlich hinter ihnen her. Ein Mann in einem schwarzen Metallica-Shirt legte sich mitsamt einer teuer aussehenden Kamera lang, nachdem er sich mit den Füßen hoffnungslos in einem Mikrofonkabel verheddert hatte.
Ames ließ den Motor an, wartete jedoch noch. Jeder Muskel in seinem Körper war angespannt und er umklammerte das Lenkrad so fest, dass seine Fingerknöchel weiß hervor traten. Geduld war nur bedingt seine Stärke und es dauerte ewig, bis Hanson mithilfe der zwei Polizisten seinen grünen Sprinter erreicht hatte. Einer der Beamten redete auf ihn ein und zeigte in Richtung Straße, dann schloss er Hansons Tür und half seinem Kollegen, die aufgebrachten Journalisten davon abzuhalten, dem Sprinter zu folgen. Polizeiwagen blockierten nun die Presseautos.
Ames hatte Glück. Der Verkehr auf der Straße war fließend und so konnte er sich unauffällig zwischen die anderen Autos mischen. Schon bald, da war er sich sicher, würde es mit seiner Nervosität vorbei sein. Alles würde gut gehen, wie es bis jetzt immer gut gegangen war.
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Ethan war sich sicher, dass der Killer ihn beobachtete, auch wenn er im
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