Abgründe (German Edition)
warten würde, hätte er gleich ein Auto mit dem Logo der Virginia Beach Police nehmen können.
»Scheiße...« Er wischte sich durchs Gesicht und sah erneut in den Rückspiegel. Nichts, nur die glücklichen Gesichter von Mummy und Daddy, die es sichtlich genossen, dem hektischen Stadtverkehr entflohen zu sein.
»Jetzt komm schon...« Er drosselte das Tempo ein wenig. Denn nur wenn der Mörder Ethan vor versammelter Mannschaft angriff, würden sie ihn in Haft nehmen können. Eine andere Möglichkeit blieb ihnen nicht, denn leider war das Verfolgen von verkleideten Polizisten in Virginia Beach nicht verboten. Auch wenn sich Ethan noch so sicher war, dass ihm der Killer folgte, würde ihn ohne einen Angriff oder ein Geständnis jeder Hinterhof-Anwalt binnen weniger Stunden aus dem Gefängnis holen können. Er griff wieder nach dem Funkgerät.
»Er ist mir bis zum See gefolgt. Im Moment sehe ich ihn nicht mehr, aber ich bin sicher, dass er noch da ist und hoffe, dass er mir auch aufs Grundstück folgen wird.«
Das Funkgerät rauschte, dann antwortete Gladys: »Wir achten auf ihn. Sobald er etwas Verdächtiges tut, schlagen wir zu.«
Ethan schwitzte. Die kugelsichere Weste machte ihm das Atmen schwer und der grüne Arbeitsanzug kratzte. Es war heiß im Auto, doch aus Sicherheitsgründen durften die Fenster nicht geöffnet werden und eine Klimaanlage besaß der alte Wagen nicht. Immer wieder warf er nervöse Blicke in den Rückspiegel. Sein Puls beschleunigte sich. Es durfte einfach nichts schief gehen.
Nach schier endlosen Minuten tauchte der schwarze Charger endlich wieder in seinem Blickfeld auf.
-96-
Ames hatte es kapiert. Den ganzen Tag über, seit dem Beginn dieser komischen Hanson-Aktion, hatte er sich gefragt, warum zur Hölle er das Gefühl hatte, dass etwas nicht stimmte. Jetzt war ihm endlich ein Licht aufgegangen: Die Mordkommission war wohl doch aufgeweckter, als er gedacht hatte. Sie wollten ihm eine Falle stellen. Er hatte es verstanden, nachdem er den Kombi überholt hatte und um die Kurve gebogen war. Er hätte es schon verstehen müssen, als der grüne Sprinter auf dem Parkplatz für Hanson bereit gestanden hatte – denn wieso um alles in der Welt sollte die Polizei einem Verdächtigen sein Auto aufs Revier holen? Das auffällige Gefährt diente zweifelsohne einem ganz bestimmten Zweck.
Der grüne Wagen, in dem angeblich Patrick Hanson sitzen sollte, war langsamer geworden, sodass Ames leicht zu ihm aufholen konnte. Jemand, der gerade aus Mangel an Beweisen entlassen worden war, hätte sicher nichts dergleichen getan, denn wie alle anderen musste auch Hanson aus der Presse erfahren haben, dass Delilah Linney, nachdem sie verdächtigt worden war, ein schnelles Ende gefunden hatte. Es wurde offen darüber spekuliert, dass sie wegen des Verdachtes gegen sie getötet worden war und Hanson hätte sicher kein Interesse gehabt, der Nächste auf der Liste zu sein. Er hätte sich, wenn es ihn denn gäbe, auf dem schnellsten Weg nach Hause begeben und sich dort verschanzt. Dass er Ames' Charger mit Absicht aufholen ließ, konnte nur eines bedeuten: Er wollte, dass er ihm folgte. Wer auch immer hinter der Patrick-Hanson-Verkleidung steckte, wollte ihn in eine Falle locken, das war ganz offensichtlich.
Ames lachte humorlos. Verdammt gerissen. So gerissen, dass er sich überrumpelt, beinahe betrogen fühlte. Seine Gedanken überschlugen sich. Er war wütend. Wütend auf die Bullen, weil sie ihn für einen solchen Idioten hielten und auf sich selbst, weil er fast ein solcher Idiot gewesen wäre. Dann kam ihm eine Idee.
-97-
Ethan setzte gerade den Blinker, um auf das Grundstück zu biegen, auf dem seine Kollegen und die Scharfschützen in ihren Verstecken lauerten, als hinter ihm plötzlich ein Motor aufheulte. Der schwarze Dodge gab Gas, scherte aus und raste an ihm vorbei. Leider zu schnell, als dass Ethan etwas hätte erkennen können.
Er zwang sich zur Ruhe und lenkte den Wagen sicher auf die Auffahrt. Indem er den Schlüssel umdrehte, brachte er den röhrenden, nervtötenden Motor zum Schweigen. Er wünschte sich seinen G6 her. Vor seinem inneren Auge sah er für einen kurzen Moment eine wilde Verfolgungsjagd, bei der er in seinem Pontiac hinter dem schwarzen Dodge her brauste. Er hätte vielleicht mehr schlafen sollen in der letzten Nacht.
-98-
Ames hatte einen Blick in das Innere des Sprinters werfen und seinen Augen nicht trauen können. Am Steuer saß ein Mann, den er trotz
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