Abgründe (German Edition)
Rückspiegel niemand Auffälliges entdecken konnte. Er checkte noch einmal, ob sich die Waffe an Ort und Stelle befand und das Funkgerät funktionierte, dann startete er den Motor und fuhr los. Er war nervös. Wenn etwas schief lief, würden Köpfe rollen, soviel stand fest.
Nach einem weiteren, kurzen Blick in sämtliche Spiegel steuerte Ethan den Wagen auf die Hauptstraße. Keiner der Reporter folgte ihm; Dewey hatte gute Arbeit geleistet. Bis zu dem Haus, in dem er alias Patrick Hanson angeblich lebte, waren es gut sechs Meilen – eine perfekte Entfernung. Nicht zu nah, um den Killer misstrauisch werden zu lassen und nicht so weit, dass Ethan fürchten musste, ihn abzuhängen. Wieder ein kurzer Blick in den Rückspiegel. Noch waren zu viele Autos hinter ihm, doch je weiter er aus der Innenstadt heraus fuhr, desto weniger wurden es. Nach einer Weile fuhren direkt hinter ihm nur noch eine überforderte Frau samt Baby in einem weißen Van und ein silbernes Cabrio mit vier ausgelassenen Jugendlichen. Als er um eine Kurve bog, entdeckte er jedoch noch einen unauffälligen, schwarzen Wagen mit einem einzelnen Fahrer darin. Ethan griff nach seinem Funkgerät.
»Gladys? Mir folgt ein schwarzer Dodge Charger. Bitte im Auge behalten.« Er unterbrach die Verbindung, ohne auf eine Antwort zu warten und schaute noch einmal in den Spiegel. Der schwarze Wagen hatte die Jugendlichen im Cabrio überholt. Ethan setzte den Blinker und scherte auf die linke Spur aus. Der Dodge tat es ihm gleich.
»Wer sagt's denn?« Grinsend drosselte er die Geschwindigkeit, um einen Blick auf den Fahrer werfen zu können.
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»Verflucht, was soll das?!« Auf einmal hatte Ames das Gefühl, dass Hanson ihn bemerkt hatte. Er bremste heftig. Der Fahrer des Wagens hinter ihm hupte verärgert und zog auf die rechte Spur, überholte dann und schnitt ihn beim Einscheren. Ames war das nur Recht. Besser, er hatte mindestens ein Auto zwischen sich und seinem Opfer.
Es konnte Zufall sein, dass Hanson solche Manöver fuhr, doch die Ahnung, dass etwas nicht so lief, wie es sollte, wurde zunehmend quälender. Möglicherweise übersah er etwas; möglicherweise war er verblendet durch den unbedingten Wunsch, Hanson aus dem Weg zu räumen.
Er beobachtete, wie dieser seinen Sprinter wieder auf die rechte Spur lenkte und wartete, bis sich auf der Nebenspur auch eine Lücke für ihn auf tat. Er folgte ihm. Sie verließen das Stadtzentrum und bogen ab in Richtung Lake Tecumseh. Die Straßen hier waren nicht besonders gut ausgebaut und Ames hörte Jillian im Kofferraum stöhnen, als sie ein tiefes Schlagloch passierten. Grinsend folgte er dem klapprigen Gartenbauwagen tiefer in den Wald. Er durfte sich den Spaß mit den Schlaglöchern allerdings nicht zu oft erlauben, schließlich wollte er nachher auch noch etwas von Jillian haben.
Der Lake Tecumseh glitzerte im Sonnenlicht, doch Ames hat keine Zeit, sich lange an der Schönheit der Gegend aufzuhalten. Vielleicht würde er sich irgendwann, in vielen Jahren, eines der Häuser am Seeufer leisten und dort einen ruhigen Lebensabend verbringen. Oder er würde die Vorzüge eines großen Grundstückes und eines unterkellerten Hauses auf seine Art genießen, denn wenn er ehrlich war, fand er mit jeder weiteren Tat mehr Gefallen an seinem blutigen Handwerk.
Im Moment hatte er allerdings andere Sorgen. Er hatte alle Mühe, den Dodge auf der holprigen Straße halbwegs in der Spur zu halten. Zwischen ihm und Hanson befand sich jetzt nur noch ein Kombi mit einer Familie darin. Der Wagen kroch über die unwegsame Straße und sorgte dafür, dass der Abstand zwischen dem Sprinter und seinem Charger immer größer wurde. Die Kinder der Familie streckten aufgeregt die dicklichen Arme aus den Fenstern und winkten ihm zu. Ames ignorierte sie, setzte dazu an, die Familienkutsche zu überholen und konnte seinen Wagen gerade noch rechtzeitig zurück reißen. Beinahe wäre er in eine Kolonne von Motorradfahrern geraten, die mit überhöhter Geschwindigkeit auf der Gegenspur unterwegs waren und in Schlangenlinien den tiefen Schlaglöchern auswichen.
Fluchend musste Ames mit ansehen, wie Patrick Hanson hinter der nächsten Biegung verschwand.
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Ethan überlegte, was er jetzt tun sollte. Er war sich mittlerweile fast sicher, dass der Mann im Dodge, der ihm so hartnäckig gefolgt war, der Killer sein musste. Doch das Familienauto und die Motorradgruppe hatten sie voneinander getrennt. Wenn er jetzt rechts ran fahren und
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