Abgründe (German Edition)
Das führte zu nichts. Sie hatten die Aktion bis jetzt planmäßig durchgeführt und konnten nur noch hoffen.
Seufzend schlenderte er zu der hölzernen Tür, die vom Garten in die Küche führte und unterdrückte den Impuls, sich umzusehen. Er musste sich auf seine Kollegen verlassen, ihnen voll und ganz vertrauen. Er lauschte noch einmal., doch er hörte nichts.. Kein Atmen, kein Knacken im Geäst, nicht einmal das leise Rauschen der Autos auf dem nahen Highway. Die Stille war gespenstisch. Was, wenn der Mörder es aufgegeben hatte, alle falschen Verdächtigen zu eliminieren?
Ethan streckte eine Hand nach dem Türgriff aus und gestand sich frustriert ein, dass sein Plan wohl nicht funktioniert hatte.
Ames wusste, dass jetzt der perfekte Zeitpunkt war. Er hatte die Bullen lange genug schmoren lassen. Ihre Nerven mussten förmlich blank liegen. Die Vorstellung, dass sie in ihren Verstecken kauerten und voller Angst darauf warteten, dass er auftauchte, entzückte ihn. Er selbst kannte dieses Gefühl nur zu gut. Ja, er wusste, wie es war, angstvoll zu warten und sich von Augenblick zu Augenblick schlimmere Szenarien auszumalen. Sie mussten sich all die Stunden über gefühlt haben wie Insekten, gefangen in einem Spinnennetz. Und wie es sich für eine Spinne gehörte, tauchte Ames genau jetzt auf dem Spielplan auf – bei Einbruch der Dunkelheit.
Ein Rascheln hinter ihm ließ Ethan zusammenfahren. Er verharrte für einen Moment mit der Hand an der Klinke, bevor er ruckartig herum fuhr.
Eine Gestalt hatte sich aus den tiefen Schatten der Büsche und Bäume gelöst und stand jetzt nur wenige Meter von ihm entfernt. Niemand hätte damit gerechnet, dass der Mörder sich durch die Büsche schlagen und nicht über die kleine Landstraße kommen würde, schoss es ihm durch den Kopf. Er verdrängte den Gedanken und zwang sich, die Gestalt kurz und gründlich zu mustern. Sie war hochgewachsen und hob sich durch die schwarze Kleidung kaum vom dunklen Astwerk hinter sich ab. Die Kapuze der Jacke hing ihr tief ins Gesicht.
Ethans Herz begann schneller zu schlagen und die Anspannung stieg ins Unermessliche. Endlich stand er der Bestie gegenüber und konnte mit ihr abrechnen; sie für das hinter Gitter bringen, was sie getan hatte. Unauffällig legte er die Hand auf die Glock, die er unter der Arbeitsjacke verborgen hielt.
»Wer sind Sie?«, rief er »Was wollen-?«
Ethan brach ab und schloss blitzschnell die Hand um die Waffe. Die Bestie hatte in die Tasche ihrer Jacke gegriffen und zog etwas daraus hervor. Fast zeitgleich registrierte er das dünne, silberne Armband mit dem Herzanhänger, das um ihr Handgelenk baumelte. Dann eine Bewegung im Gebüsch. Ohne nachzudenken, schnellte Ethan nach vorn und warf sich auf die Gestalt, um sie zu Boden zu reißen. Zur selben Zeit zerriss der Schuss die abendliche Stille. Ethans rechte Schulter fühlte sich an, als ob sie explodierte. Dann fielen er und Jillian schwer ins nasse Gras.
Für einen Moment drehte sich alles, dann öffnete Ethan die Augen und blickte in ihr Gesicht. Hätte sie nicht das silberne Armband getragen, wäre sie nicht zu erkennen gewesen. Ihr Gesicht war übersät mit Blutergüssen, ihre Augen geschwollen und ihr Mund mit dickem, schwarzem Garn zugenäht.
Es war das letzte Bild, das Ethan sah, bevor er bewusstlos wurde. Es würde für alle Ewigkeiten in sein Gedächtnis eingebrannt bleiben.
-101-
Als Ethan erwachte, musste er sich erst einmal orientieren. Zögernd öffnete er die Augen und blinzelte das grelle Neonlicht weg, das seine Sicht trübte. In seiner Schulter tobte ein pochender Schmerz und seine Gedanken waren seltsam vernebelt. Keuchend stemmte er sich in die Höhe und lehnte sich gegen das dicke Kissen in seinem Rücken. Er war in einem Krankenhaus. Zweifellos. Nur wieso? Bruchstückhaft setzten sich Teile der Ereignisse wieder zusammen. Die Falle. Der Köder. Die Resort City-Bestie. Jillian.
Dann fiel ihm schlagartig alles wieder ein und er streckte den Arm aus, um die Nachttischschublade nach seinem Handy zu durchsuchen. Die übereilte Bewegung ließ ihn vor Schmerz aufstöhnen, doch immerhin fand er das Telefon. Er brauchte drei Versuche, um Donovans Nummer zu wählen. Seine rechte Hand war durch die Schusswunde nicht voll funktionsfähig und die Linke zitterte unnatürlich stark.
Es dauerte eine Ewigkeit, bis Donovan sich meldete und als er es tat, klang er wütend. »Ja?! Caulfield?!«
Ethan war überrascht, dass seine eigene
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