Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf
Tatort abgesperrt. Es waren ja genug Beamte in der Gegend unterwegs, um nach dem »Messerzwerg« zu suchen, wie seit Wochen schon. Einer Streife war ein junger Mann aufgefallen, der offensichtlich schmutzige Kleidung trug und nach Rauch stank. Er stand unter den Neugierigen, die bei derartigen Vorfällen immer erfasst werden, so weit das natürlich möglich ist. Ausgehend von dem guten alten Erfahrungswert, wonach Verbrecher immer an den Tatort zurückkehren. Angeblich trifft das besonders auf Brandstifter zu, falls sie zur Kategorie der Pyromanen zählen, die ihr Werk genießen wollen. Ich persönlich halte nicht viel von solchen Weisheiten. Jedenfalls ist mir bislang kein Fall bekannt geworden, bei dem sich ein Mörder anlässlich der Beisetzung seines Opfers heimlich unter die Trauergäste gemischt hätte. Glaubt man der Wissenschaft, wonach jedes zweite Tötungsdelikt unentdeckt bleibt, dann ist es wohl eher so, dass die meisten Mörder ganz offiziell und in vorderster Reihe an der Beerdigung ihrer Opfer teilnehmen. Weil es sich nämlich bei den meisten Morden um Beziehungstaten handelt. Wobei nach meiner Einschätzung der unentdeckte Mord
nicht identisch ist mit dem sogenannten perfekten Mord. Denn perfekt wäre ein Mord nur, wenn der Täter mit der Entdeckung der Tat wohl rechnet, aber nicht überführt werden kann, weil er keine Fehler gemacht hat. Wenn er dann noch bis ans Ende seiner Tage ohne Angst und mit ruhigem Gewissen leben kann, dann könnte man vom perfekten Mord sprechen.
Besonders alte Menschen werden häufig vom Leben in den Tod befördert, weil sie halt partout nicht sterben und/oder vererben wollen. Wo doch die Hypothek so drückt. Und um den Druck loszuwerden, drückt man Oma oder Opa schon mal ein Kissen aufs Gesicht, bis sie ihren letzten Schnaufer getan haben. Dann holt man den guten alten Hausarzt, der ja schon ahnte, dass es demnächst vorbei sein könnte, und lässt ihn einen natürlichen Tod bescheinigen. Damit bleibt die Kripo außen vor, und am Grab schluchzen dann die Mörder so herzzerreißend, dass alle Trauergäste davon schwärmen, was für eine »schöne Leich’« das wieder war.
Die aufmerksamen Polizisten nahmen den Rußgeschwärzten mit zur Polizeiwache und stellten dort seine Personalien fest. Peter W., 28 Jahre. Er sei an dem Anwesen vorbeigekommen, habe Rauch gesehen und habe helfen wollen. Deshalb sei er, zusammen mit einigen anderen Leuten, hinuntergelaufen in die Garage, um eventuell Leute zu retten. Der Qualm sei aber schon so dicht gewesen, dass er wieder umkehren musste. Da tatsächlich mehrere Personen Rauchvergiftungen erlitten hatten, erschien die Aussage des jungen Mannes nicht unglaubhaft, und man ließ ihn nach Personalienfeststellung gehen. Zumal der Computer nicht das ausspuckte, was wohl die Aufmerksamkeit der Kollegen erregt hätte: Er
war bereits wegen Brandstiftung in Erscheinung getreten - allerdings in Sachsen-Anhalt.
Der Brandfahnder, der diese Meldung am Montag darauf auf den Tisch bekam, hatte mehr Erfolg bei den Recherchen nach dem Vorleben von Peter W. in Sachsen-Anhalt, wo er zuvor gewohnt hatte. Dort war er bereits einer gemeingefährlichen Tat, einer schweren Brandstiftung, beschuldigt worden. Wie der Kollege von den dortigen Ermittlern erfuhr, soll Peter W. die Pension seiner Mutter angezündet haben. Und zwar aus einem äußerst interessanten Grund: Er hatte seine Freundin im Bett mit seinem älteren Bruder erwischt. Die Pension, die einmal diesem älteren Bruder gehören sollte, war restlos abgebrannt. Und obwohl der ältere den jüngeren Bruder der Tat verdächtigte, hatte man einen Tatnachweis nicht führen können, sodass Peter W. nicht angeklagt werden konnte. Woran die Mutter nicht ganz unschuldig war, hatte sie ihm doch ein Alibi für die Tatzeit gegeben. Da es auch noch andere Tatverdächtige gab, war der dringende Tatverdacht nicht mehr aufrechtzuerhalten. Die Mutter nahm »ihren Kleinen« mit nach München, wo sie sich mit ihrem zweiten Ehemann eine neue Existenz aufbauen wollte.
Die Brandfahnder luden Peter W. zur Vernehmung vor. Rein juristisch darf die Tatsache, dass jemand schon einmal wegen einer gleichen Straftat in Erscheinung getreten ist, natürlich nicht als Indiz für eine mögliche Täterschaft herangezogen werden. Aber für uns Kriminaler sind das Alarmsignale. Weil wir nämlich nicht an Zufälle glauben und weil die Tatsache, dass jemandem eine Straftat nicht nachgewiesen werden konnte, noch lange nicht bedeutet,
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