Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf
das Volumen zu verringern? Immerhin wären 1400 Hunderteuroscheine nicht so einfach auf dem Teppich auszubreiten gewesen. Jedenfalls war es Zeit, die Mordkommission einzuschalten, dachte sich S. Vorher aber könne er ja noch Elisabeths Exfreund befragen, der als Kollege leicht zu ermitteln sein dürfte. Kaum zurück auf der Dienststelle, konnte er diesen rasch ausfindig machen und telefonisch befragen.
Klaus F., 36 Jahre, geschieden, wohnhaft in München, Kriminaloberkommissar. Er arbeitete bei der Kriminalpolizeiinspektion München-Nord, einer sogenannten Außenstelle, und zwar im Diebstahlskommissariat. Ja, bestätigte er, er sei bis vor etwa eineinhalb Jahren mit Elisabeth liiert gewesen. Ja, er kenne ihren jetzigen Freund, und gelegentlich habe man sich sogar getroffen. Nein, er wisse nichts davon, dass Elisabeth und Thomas vermisst würden. Ob er etwas von einer Erbschaft wisse? Nein, eigentlich nichts Genaues. Die Freundin hätte da ein paar Andeutungen gemacht? Ach ja, diese Sache. Die Elisabeth habe ihn tatsächlich angerufen und erzählt, dass sie geerbt habe und das Geld gewinnbringend anlegen wolle.
Da sie sich in Gelddingen nicht auskenne, habe sie ihn gefragt, ob er sie begleiten könne. Das habe er dann auch getan. Aus der Sache sei aber nichts geworden, weil der Bankmensch nicht gekommen sei. Ein totaler Reinfall. Er habe Elisabeth geraten, die Sache zu vergessen. Das war’s. Seither habe er keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt. Wie gesagt, das sei mindestens drei oder vier Wochen her. So Ende Juni, Anfang Juli sei das gewesen.
Kollege S. musste nicht viel erklären. Wenn einer wie er der Meinung war, es dürfte ein Verbrechen vorliegen, war das unbedingt ernst zu nehmen. Weil er nämlich nicht als Dampfplauderer bekannt war, sondern als ein Ermittler, der eher zur Vorsicht neigte. Kurzum: Wenn sich einer wie er dazu durchrang, das Heft aus der Hand zu geben und die Mordkommission einzuschalten, anstatt selbst noch ein bisschen weiterzuermitteln, dann konnte man davon ausgehen, dass etwas dran war an der Geschichte.
Den Ausführungen des Kollegen war nicht zu entnehmen, welche Ausmaße dieser Fall annehmen sollte und was auf uns zukommen würde. Das weiß man übrigens nie, wenn ein Fall anläuft. Die bisherigen Zeugenvernehmungen hätten nicht viel ergeben, berichtete er. Niemand könne sich das Verschwinden erklären. Und sämtliche Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen und die Familienangehörigen würden kategorisch ausschließen, dass es zwischen den beiden zu irgendeiner Form von Gewalt gekommen sein könnte. Ach ja, auch der Exfreund von Elisabeth S., ein Kollege, sei von ihm telefonisch befragt worden. Keinerlei Auffälligkeiten. Leider habe auch er
nicht zur Aufhellung beitragen können. Er habe sie vor drei oder vier Wochen letztmals getroffen. Vermisst würde sie ja aber erst seit knapp einer Woche.
Der Fall wurde der 5. Mordkommission übertragen, deren Leiter ich damals war. Nach kurzer Einführung waren wir uns in einem Punkt alle einig: Es musste ein Verbrechen passiert sein. Allein schon die Blutspuren ließen diese Schlussfolgerung zu. Wobei alle bisherigen Erkenntnisse für eine Beziehungstat sprachen. Auch wenn uns natürlich bewusst war, dass es viele mögliche Variationen gab. Momentan jedenfalls schien einiges darauf hinzudeuten, als habe es entweder etwas mit der unverhofften Erbschaft oder der beabsichtigten Trennung der beiden zu tun. Oder mit beidem? Aber wo war das Geld, und warum fehlten ausschließlich Gegenstände aus Elisabeths Wohnung, die allesamt einen Bezug zu ihrem Freund Thomas hatten? Zufall?
Dank der guten und engen Zusammenarbeit mit dem Institut für Rechtsmedizin war dem Untersuchungsauftrag der Mordkommission erste Priorität eingeräumt worden. Es geht eben nichts über persönliche Beziehungen. Die Mütter der Vermissten hatten ohne zu zögern noch am Tag vorher eine Blutprobe abgegeben, gleich direkt im Institut. Nun lagen schon die ersten Ergebnisse vor. Die bisher untersuchten Blutspuren auf der Motorhaube des Pkw stammten ebenso wie die Blutspuren im Fußraum des Fahrzeuges allesamt von Elisabeth S. Allerdings gab es auch einige sogenannte Mischspuren, die sowohl die DNA von Elisabeth S. als auch die von Thomas W. enthielten. Und zwar die im Kofferraum.
Wie war das Blutbild zu interpretieren? Da die Masse der Blutspuren Elisabeth S. zuzuordnen waren, schien es
naheliegend zu sein, dass sie auf jeden Fall Opfer sein dürfte. Reichten aber die
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