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Abgründe

Abgründe

Titel: Abgründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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er »hatte sich von diesen Scheißkerlen nicht fertigmachen lassen«.
    Der frühere Kumpel Hólmgeir arbeitete jetzt als Nachtwächter in einem großen Möbelgeschäft einer internationalen Kette, und er war bei der Arbeit, als Sigurður Óli ihn anrief. Im Hauptdezernat hatte Sigurður Óli sich überall nach Andrés erkundigt, hatte mit alten, erfahrenen Kollegen bei der Polizei gesprochen, um in Erfahrung zu bringen, ob sie etwas über ihn wüssten. Dabei stellte sich heraus, dass er so gut wie vom Erdboden verschwunden war. Die meisten hatten alles, was Andrés betraf, längst vergessen, aber ein Polizist rief auf die dringende Bitte von Sigurður Óli hin einen pensionierten ehemaligen Kollegen an, und von ihm bekam er einige Informationen, denn er erinnerte sich sehr genau an Andrés, und in dem Zusammenhang war auch der Name seines Kumpels Hólmgeir gefallen.
    Sigurður Óli beschloss, diesem Kumpel einen Besuch abzustatten, bevor er Feierabend machte. Hólmgeir erwartete ihn am Hintereingang des großen Unternehmens. Er trug eine Nachtwächteruniform, außerdem gehörten zu seiner Ausrüstung eine Taschenlampe undein Funkgerät, das in einem an der Schulter befestigten Lederriemen steckte. Wer sich bessert, lebt besser, dachte Sigurður Óli eingedenk der Tatsache, dass dieser Hólmgeir vor zehn Jahren in der Gosse gelegen hatte.
    Sigurður Óli hatte Hólmgeir bereits am Telefon gesagt, um was es ging, und ihn gebeten, darüber nachzudenken. Insofern konnte er jetzt sofort zur Sache kommen und fragte, ob Hólmgeir irgendeine Ahnung hatte, wo Andrés sich aufhalten könnte.
    »Ich habe es mir durch den Kopf gehen lassen, aber ich fürchte, dass ich euch nicht wirklich weiterhelfen kann«, erklärte Hólmgeir, der nicht der Schlankste war, aber sich in seiner Uniform wohlzufühlen schien. Er ging auf die Fünfzig zu, und sein Gesicht zeugte davon, dass er einiges in seinem Leben durchgemacht hatte. Seine Stimme klang heiser und irgendwie unrein.
    »Ist es lange her, seit du ihn zuletzt getroffen hast?«
    »Sehr lange«, sagte Hólmgeir. »Ich weiß nicht, ob du weißt, wie dreckig es mir früher ging. Ich war auf der Straße und übernachtete in irgendwelchen grauenvollen Absteigen. Ich war ein Säufer vor dem Herrn, genau wie Andrés, und auf diese Weise haben wir uns kennengelernt. Damals war er vielleicht sogar noch schlimmer dran als ich.«
    »Was für ein Mensch ist er?«, fragte Sigurður Óli.
    »Vollkommen harmlos«, antwortete Hólmgeir ohne zu zögern. »Er war sehr einsam, und er wollte auch in Ruhe gelassen werden. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll, er konnte unheimlich empfindlich auf das reagieren, was man sagte oder tat. Manchmal war er total unmöglich. Ich weiß nicht, wie oft ich ihm zuHilfe gekommen bin, wenn irgendwelche Rüpel ihn anpöbelten. Wieso sucht ihr nach ihm?«
    »Wir müssen wegen einer alten Sache mit ihm reden«, sagte Sigurður Óli, der nicht näher auf diese Frage eingehen wollte. »Es ist nicht dringend, aber wir müssten eben mit ihm sprechen.«
    Sigurður Óli war von Anfang an überzeugt davon gewesen, dass der Junge auf dem Film Andrés selber war und dass er ihm den Filmstreifen geschickt hatte, um die Aufmerksamkeit der Polizei, oder besser gesagt die von Sigurður Óli, den er von einer früheren Begegnung her kannte, darauf zu richten, was für ein Verbrechen an ihm als Kind verübt worden war. Der Zeitrahmen passte. Der Junge auf dem Filmstreifen war etwa zehn Jahre alt. Andrés war Mitte Fünfzig, laut den Polizeiakten war er 1950 geboren. Seine Aussagen über seinen Stiefvater Rögnvaldur deuteten darauf hin, dass der ein Kinderschänder gewesen sein musste. Rögnvaldur hatte eine Zeit lang mit Andrés’ Mutter zusammengelebt, und zwar zu der Zeit, als die Filmaufnahmen gemacht worden waren.
    »Hat er irgendwann einmal darüber geredet, wieso er in der Gosse gelandet ist?«, fragte Sigurður Óli.
    »Er hat nie über sich selber geredet«, antwortete Hólmgeir. »Ich hab ihn manchmal gefragt, aber nie eine Antwort bekommen. Die meisten anderen haben ewig rumgeheult und gejammert und alles zwischen Himmel und Erde dafür verantwortlich gemacht, und die wurden es nicht leid, mit ihren Anschuldigungen und ihrem Geschwätz auf alle möglichen anderen Leute zu deuten. Aber Andrés hat sich nie beklagt. Er hat sein Schicksal einfach hingenommen. Trotzdem …«
    »Was?«
    »Trotzdem hat man gespürt, dass er verbittert war. Ich wusste nie so richtig, was

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