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Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Schone
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strahlten bei der Erinnerung. »Er und Monsieur Michael waren in ganz London gefeiert. Les deux anges .«
    Die beiden Engel.
    War Michael der Mann, der Gabriel verletzt hatte?
    War er der Mann, der einhundertfünf Pfund und später tausend Pfund geboten hatte …?
    »Dieser Monsieur Michael … waren er und Gabriel … Rivalen?«
    »Sie waren Freunde.«
    »Und jetzt?«
    »Es gibt Bande, die nichts lösen kann, Mademoiselle«, erklärte die Schneiderin rätselhaft.
    »Sie haben mich gesehen, Madame.« Beißende Ironie würzte Victorias Ton. »Jetzt können Sie gehen.«
    Sonst würde sie vor Kälte und Anspannung sterben in dem Bemühen, ihre Arme an den Seiten zu halten, statt sich hinter ihnen zu verstecken, wie sie sich hinter Wollkleidern und den Kindern anderer Frauen versteckt hatte. Madame René ging nicht.
    »Sie enttäuschen mich, Mademoiselle.«
    Ihre Brust schmerzte – vom Druck ihrer Arme. Es gab keinen Grund, weshalb Victoria sich etwas aus den Gefühlen der couturière machen sollte.
    »Verzeihung«, sagte sie steif.
    »Ich habe Sie für eine mutige Frau gehalten.«
    »Die Geschichte hat schon oft Verzweiflung mit Heldentum verwechselt.«
    »Es bedarf einer mutigen Frau, einen Mann wie Gabriel zu lieben.«
    Was, wenn ich mehr wollte als Ihre Jungfräulichkeit?
    Etwas anderes hatte Victoria einem Mann nicht zu bieten.
    »Dann ist es ja nur gut, dass Monsieur Gabriel mich nicht ersteigert hat, damit ich ihn liebe«, antwortete sie.
    Madame Renés Augen verengten sich. Der Diamant an ihrem Zeigefinger blitzte missbilligend.
    »Monsieur Michael ist nach seiner Fähigkeit benannt, Frauen Lust zu bereiten.«
    Victorias Herz stockte.
    »Wie kann ein Mann nach seiner Fähigkeit benannt sein, Frauen Lust zu bereiten?«, fragte sie höflich.
    »Er wird Michel des Anges genannt.«
    Michael von den Engeln.
    »Engel kennen keine geschlechtliche Vereinigung, Madame.«
    Madame René ließ sich von Victorias Zynismus nicht abschrecken. »Wir Franzosen sagen zum Höhepunkt voir les anges , Engel sehen.«
    Gabriel hatte den Höhepunkt als la petite mort bezeichnet, den kleinen Tod.
    Das Auge der Pfauenfeder und der Blick der Schneiderin waren gleichermaßen unverwandt. Beide suchten … was?
    »Manche Frauen behaupten, Monsieur Gabriels Können übersteige das seines Freundes«, erklärte die Schneiderin nachdrücklich.
    Die Kälte, die Victoria einhüllte, wich glühender Hitze.
    »Madame, verzeihen Sie, aber ich bin es nicht gewohnt, mich unbekleidet zu unterhalten.«
    Madame René zuckte die Achseln. »Wir sind doch Frauen, Mademoiselle. Und Monsieur Gabriel nimmt keinen Anstoß am Körper einer Frau.«
    »Monsieur Gabriel war schon geraume Zeit nicht mehr mit einer Frau zusammen.«
    Warum hatte Victoria das gesagt?
    » Oui .«
    »Ich weiß nicht, wie man einen Mann verführt.«
    Ich weiß nicht, wie man einen Mann verführt , hallte es im kalten Schlafzimmer wider.
    Genugtuung strahlte aus Madame Renés braunen Augen.
    » Tournez autour , Mademoiselle, et je vous montrerai comment séduire un homme .«
    Automatisch übersetzte Victoria das Französisch der Älteren: Drehen Sie sich um … und ich zeige Ihnen, wie man einen Mann verführt.
    Spannung tanzte in ihrem Bauch.
    Der Blick der Älteren forderte Victoria stillschweigend heraus, Frau zu sein. Einen Mann zu lieben, der Liebe verschmähte. Victoria drehte sich um und schaute in den Drehspiegel. Silberne Augen schauten sie an.

Kapitel 9
    Victoria hatte Gabriel nicht ins Schlafzimmer kommen hören. Aber er stand da.
    Sie hatte Gabriels Gegenwart nicht gespürt. Jetzt spürte sie sie in jeder Faser ihres Körpers: In ihren Brüsten, die passabel waren, in Hüften und derrière , die es nicht waren …
    Drei Menschen beobachteten Victoria: Madame René, Victoria und Gabriel.
    Madame René wartete ab, wie mutig Victoria wäre.
    Victoria wartete darauf, vor Scham in den Boden zu versinken.
    Und worauf wartete Gabriel?
    »Heben Sie die Arme, Mademoiselle, damit ich Ihre Maße nehmen kann.«
    Madame Renés Stimme kam von weither. Ihre Absichten waren nur allzu deutlich.
    Sie wollte Victoria vor Gabriel zur Schau stellen.
    Sie wollte, dass Victoria einen Mann verführte, der für seine Verführungskunst berühmt war – einen Mann, der seit vierzehn Jahren, acht Monaten, zwei Wochen und sechs Tagen keine Frau mehr angerührt hatte.
    Victoria dachte an die Jahre, die sie in den Häusern anderer Frauen gelebt, sich um die Kinder anderer Frauen gekümmert und ihren

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