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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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hoch. Die Männer waren bewaffnet. Einen Moment lang sahen sie auf ihn herab; die Falten der Isolationsmembran überzogen ihre Gesichter wie die Haut von Leprakranken.
    Scanlon seufzte und kam auf die Beine. Bruchstücke zerstörter Geräte fielen klirrend zu Boden. Die Wachen traten beiseite, um ihn vorbeizulassen. Ohne ein Wort folgten sie ihm hinaus.

    Ein weiterer Raum. Ein Lichtstreifen teilte ihn in zwei dunkle Hälften. Das Licht strömte aus einer Nut in der Decke, halbierte die weinroten Vorhänge und den Teppich und bildete ein helles Band, das quer über den Konferenztisch verlief. Winzige leuchtende Striche spiegelten sich auf den Plexiglas-Workpads, die in das Mahagoniholz eingelassen waren.
    Eine Linie im Sand. Patricia Rowan stand etwas abseits auf der anderen Seite, das Gesicht im Profil halb erleuchtet.
    »Hübsches Zimmer«, stellte Scanlon fest. »Heißt das, dass ich aus der Quarantäne entlassen bin?«
    Rowan schaute ihn nicht an. »Ich fürchte, ich muss Sie bitten, auf Ihrer Seite der Lichtbarriere zu bleiben. Zu Ihrer eigenen Sicherheit.«
    »Nicht zu Ihrer?«
    Rowan deutete auf das Licht, ohne hinzuschauen. »Mikrowellen. Und UV-Strahlen, wenn ich mich nicht irre. Sie würden geröstet werden, wenn Sie versuchen würden, hindurchzugehen.«
    »Aha. Nun, vielleicht haben Sie ja doch recht gehabt.« Scanlon zog einen Stuhl am Konferenztisch zurück und setzte sich. »Letztens habe ich ein echtes Symptom entwickelt. Mit meinem Stuhlgang scheint etwas nicht zu stimmen. Wahrscheinlich ist die Darmflora durcheinandergeraten.«
    »Das tut mir leid.«
    »Ich dachte, das würde Sie vielleicht freuen. Es ist die einzige Rechtfertigung, die Sie bislang haben.«
    Eine Zeitlang sagte keiner von beiden ein Wort.
    »Ich … ich wollte mit Ihnen reden«, sagte Rowan schließlich.
    »Das wollte ich auch. Vor ein paar Wochen schon.« Und dann, als sie nicht antwortete: »Warum jetzt?«
    »Sie sind Therapeut, nicht wahr?«
    »Neurokognitist. Und wir führen schon seit Jahrzehnten keine Patientengespräche mehr, wenn Sie das meinen. Wir verschreiben nur noch.«
    Sie senkte den Blick.
    »Wissen Sie, ich habe …«, sie zögerte. » … Blut an den Händen«, schloss sie schließlich.
    »Dann sollten Sie nicht mit mir reden, sondern mit einem Geistlichen.«
    »Die führen auch keine Gespräche mehr. Oder zumindest reden sie nicht sehr viel.«
    Der Lichtvorhang summte leise, wie ein Insektenfänger.
    »Pyranosyl-RNA«, sagte Scanlon nach einer Weile. »Ein Ribosering mit fünf Atomen. Ein Vorläufer der modernen Nukleinsäuren, der vor dreieinhalb Milliarden Jahren weit verbreitet war. In der Bibliothek heißt es, dass er eine eigenständige genetische Grundlage hätte bilden können. Seine Replikationsrate ist schneller als die von DNA und enthält weniger Fehler. Dennoch hat er sich nie durchgesetzt.«
    Rowan sagte nichts. Möglicherweise nickte sie, doch das war schwer zu erkennen.
    »So viel zu Ihrer Behauptung, dass es sich um eine ›Bedrohung für die Landwirtschaft‹ handelt. Werden Sie mir jetzt endlich sagen, was hier vor sich geht, oder wollen Sie weiterhin Ihre Spielchen mit mir treiben?«
    Rowan schüttelte sich, als würde sie von irgendwoher zurückkehren. Zum ersten Mal blickte sie Scanlon direkt an. Das sterilisierende Licht spiegelte sich auf ihrer Stirn und ließ ihre Augen unter schwarzen Schattenpfützen verschwinden. Ihre Kontaktlinsen schimmerten wie Platin, das von hinten angestrahlt wurde.
    Sie schien seinen Zustand nicht zu bemerken.
    »Ich habe Sie nicht angelogen, Dr. Scanlon. Man könnte es tatsächlich als ein landwirtschaftliches Problem bezeichnen. Schließlich haben wir es mit einer Art … Nanoerdbakterium zu tun. Eigentlich ist es gar kein Krankheitserreger. Es ist nur … ein Konkurrent. Und nein, es hat sich nie durchsetzen können. Aber wie sich herausgestellt hat, ist es auch nie wirklich ausgestorben.«
    Sie ließ sich auf einen Stuhl sinken.
    »Wissen Sie, was das wirklich Perfide daran ist? Wir könnten Sie auf der Stelle freilassen, und es besteht die Möglichkeit, dass nicht das Geringste passieren würde. Das wäre sogar ziemlich wahrscheinlich. Die Chancen, dass wir es bereuen, liegen bei eins zu eintausend, heißt es. Vielleicht sogar eins zu zehntausend.«
    »Das klingt recht gut«, stimmte Scanlon zu. »Was ist der Haken an der Sache?«
    »Es ist nicht gut genug. Wir können das Risiko nicht eingehen.«
    »Sie gehen ein größeres Risiko ein, wann immer Sie das Haus

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