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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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verlassen.«
    Rowan seufzte. »Und die Menschen spielen ständig in Lotterien mit, bei denen die Chancen eins zu eine Million stehen. Doch beim Russischen Roulette stehen die Chancen deutlich besser, und Sie werden trotzdem kaum jemanden finden, der freiwillig dabei mitmachen würde.«
    »Das Resultat ist ein anderes.«
    »Ja. Das Resultat.« Rowan schüttelte den Kopf; auf irgendeine seltsame, abstrakte Weise schien sie beinahe belustigt zu sein. »Es geht um eine Kosten-Nutzen-Rechnung, Yves. Um die maximale Wahrscheinlichkeit. Um Risikobewertung. Je geringer das Risiko, desto mehr lohnt sich das Spiel.«
    »Und umgekehrt«, sagte Scanlon.
    »Ja. Noch wichtiger. Und umgekehrt.«
    »Muss ein ziemlich mieses Gefühl sein«, sagte er, »eine Wahrscheinlichkeit von eins zu zehntausend ausschlagen zu müssen.«
    »Oh ja.« Sie sah ihn nicht an.
    Natürlich hatte er mit so etwas gerechnet. Dennoch breitete sich ein flaues Gefühl in seiner Magengrube aus.
    »Lassen Sie mich raten«, sagte er. All seinen Bemühungen zum Trotz, klang seine Stimme zittrig. »N’AmPaz ist in Gefahr, wenn Sie mich freilassen.«
    »Schlimmer noch«, sagte sie sehr leise.
    »Ah. Schlimmer als N’AmPaz. Gut. Dann also die menschliche Spezies. Die gesamte menschliche Spezies gibt den Geist auf, wenn ich draußen auch nur einmal niese.«
    »Noch schlimmer«, wiederholte sie.
    Sie lügt. Es kann nicht anders sein. Sie ist einfach nur eine verdammte Landrattenschlampe. Dir kann sie nichts vormachen.
    Scanlon öffnete den Mund, doch es wollte nichts herauskommen.
    Er versuchte es noch einmal. »Ein ziemlich fieses Nanobakterium.« Seine Stimme klang so spröde wie die Stille, die folgte.
    »Eigentlich ist es eher so etwas wie ein Virus«, sagte Rowan schließlich. »Lieber Gott, Yves, wir sind uns immer noch nicht ganz sicher, worum es sich dabei handelt. Es ist sehr alt, älter noch als die Archaeen. Aber das haben Sie ja selbst schon herausgefunden. Viele der Einzelheiten übersteigen mein Begriffsvermögen.«
    Scanlon kicherte. »Die Einzelheiten übersteigen Ihr Begriffsvermögen?« Seine Stimme wurde plötzlich um eine Oktave höher und dann wieder tiefer. »Erst sperren Sie mich eine Ewigkeit ein, und jetzt erzählen Sie mir, dass ich wahrscheinlich für immer hier gefangen bin – ich nehme jedenfalls an, dass Sie mir das sagen wollen« – seine Worte sprudelten zu schnell hervor, als dass sie ihm hätte widersprechen können – »und Sie können sich die Einzelheiten nicht merken? Oh, schon in Ordnung, Ms. Rowan. Warum sollten mich Einzelheiten interessieren?«
    Rowan antwortete nicht direkt. »Es gibt eine Theorie darüber, dass das Leben in den Riftzonen seinen Anfang genommen hat. Alles Leben. Haben Sie das gewusst, Yves?«
    Er schüttelte den Kopf. Wovon, zum Teufel, spricht sie?
    »Es gab zwei Prototypen«, fuhr Rowan fort. »Vor drei oder vier Milliarden Jahren. Zwei konkurrierende Modelle. Eines von ihnen hat den Markt erobert und die Grundlage für alles gelegt, vom Virus bis hin zum Mammutbaum. Aber die Sache ist die, Yves, der Gewinner war nicht unbedingt das bessere Produkt. Es hat einfach nur Glück gehabt und am Anfang einen besonderen Wachstumsschub erhalten. So wie bei Software, wissen Sie? Nicht immer werden die besten Programme zum Industriestandard.«
    Sie holte Luft. »Offenbar sind auch wir nicht unbedingt das Gelbe vom Ei, denn die Besten haben den Meeresboden niemals verlassen.«
    »Und das Ding steckt jetzt in mir drin? Ich bin so eine Art menschliche Zeitbombe?« Scanlon schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist nicht möglich.«
    »Yves …«
    »Wir haben es doch nur mit der Tiefsee zu tun und nicht mit dem Weltraum, verdammt noch mal. Da unten gibt es Strömungen und Zirkulation. Das Ding wäre schon vor hundert Millionen Jahren hochgekommen und hätte sich längst überall verbreitet.«
    Rowan schüttelte den Kopf.
    »Sagen Sie mir nicht so etwas! Sie sind eine verdammte Bürokratin , Sie verstehen nicht das Geringste von Biologie! Das haben Sie selbst zugegeben!«
    Plötzlich blickte Rowan direkt durch ihn hindurch. »Aktiv aufrechterhaltenes hyperosmotisches intrazelluläres Milieu«, betete sie herunter. »Kalium, Kalzium und Chlor-Ionen werden bei Konzentrationen unter fünf Millimol pro Kilogramm gehalten.« Winzige Schneestürme fegten über ihre Pupillen hinweg. »Der daraus folgende hohe Osmosegradient, verbunden mit einer starken Durchlässigkeit der Doppelschichten, ermöglicht eine äußerst effiziente

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