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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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Freund in SeaTac an – »Jess, kannst du bitte mal diesen Code für mich überprüfen?« – und schickte ihm die Erkennungssequenz, die Hongcouver benutzt hatte.
    »Hab ihn«, sagte Jess.
    »Er ist gültig, oder?«
    »Nicht weiter auffällig. Wieso?«
    »Ich habe gerade einen Anruf erhalten, ob ich mitten in der Nacht eine Fahrt zum Grund des Ozeans übernehmen kann. Zum Achtfachen der üblichen Bezahlung. Ich wollte mich nur vergewissern, dass mir da nicht womöglich jemand einen Bären aufbinden will.«
    »Wenn, dann hat offenbar der Router einen Sinn für Humor entwickelt. He, vielleicht haben sie da oben ein Käsehirn installiert.«
    »Ja.« Ray Sterickers Gesicht tauchte kurz vor seinem inneren Auge auf.
    »Also, worum geht es bei dem Auftrag?«, fragte Jess.
    »Ich weiß es nicht. Ich soll irgendwelche Personen befördern, aber warum ich das mitten in der Nacht tun muss, kann ich dir nicht sagen.«
    »Merkwürdige Zeiten.«
    »Ja. Vielen Dank, Jess.«
    »Gern geschehen.«
    Merkwürdige Zeiten. Das kann man wohl sagen . Überall auf der abyssischen Tiefebene gingen Wasserstoffbomben hoch. Jede Menge Leute fuhren zu Orten, die noch nie jemand besucht hatte, und andere Orte, wo es zuvor nur so von Verkehr gewimmelt hatte, interessierten nun niemanden mehr. Feuersbrünste, verbrannte Flüchtlinge und Schiffswerften, die in Schutt und Asche gelegt wurden. Chipschädel mit Rotenon-Cocktails und Riesenfischen. Vor ein paar Wochen war Joel zu einer Fahrt nach Mendocino erschienen und hatte einen Typen dabei erwischt, wie er mit einem Sandstrahlgebläse ein Strahlungswarnzeichen von der Wand eines Frachtcontainers entfernt hatte.
    An der ganzen verdammten Küste wird es zu gefährlich. N’AmPaz wird niederbrennen, lange bevor es überflutet wird.
    Doch das war das Schöne am Freiberuflerdasein. Er konnte einfach seine Sachen packen und verschwinden. Und genau das würde er auch irgendwann tun und die verdammte Küste hinter sich lassen – verflucht, vielleicht sogar ganz N’AmPaz . Es gab schließlich immer noch Süd Am. Oder auch die Antarktis. Er würde auf jeden Fall darüber nachdenken.
    Nachdem er diese Fuhre hinter sich gebracht hatte.

Streuung
    Sie findet ihn schließlich auf der abyssischen Tiefebene, wo er immer noch auf der Suche ist. Seit Stunden ist er schon hier draußen. Auf dem Echolot konnte sie verfolgen, wie er immer wieder auf und ab geschwommen ist, bis hinaus zum Karussell, zum Wal, und dann wieder zurück, um die labyrinthische Landschaft des Schlunds abzusuchen.
    Allein. Ganz allein.
    Schon aus fünfzig Metern Entfernung kann sie seine Verzweiflung spüren. Die Facetten seines Schmerzes funkeln in ihrem Geist, während der Tintenfisch sie näher an ihn heranträgt. Schuldgefühle. Angst.
    Und je näher sie ihm kommt, desto stärker wird seine Wut.
    Der Strahl ihrer Stirnlampe fällt auf einen kleinen Kondensstreifen am Meeresboden – eine Wirbelschleppe aus Schlamm, der nach einem Millionen Jahre währenden Schlaf nun wieder aufgewühlt wurde. Clarke wechselt den Kurs, um ihm zu folgen, und schaltet die Lampe aus. Die Dunkelheit zieht sich um sie herum zusammen. So weit draußen erreichen die Photonen selbst die Augen eines Rifters nicht mehr.
    Sie spürt ihn direkt vor sich, von Wut erfüllt. Als sie neben ihm anhält, wird das Wasser von einer unsichtbaren Turbulenz aufgewirbelt. Ihr Tintenfisch erzittert unter Branders Faustschlägen.
    »Verschwinden Sie mit diesem verdammten Ding! Sie wissen doch, dass er die nicht mag!«
    Sie dreht den Motor herunter. Das leise hydraulische Heulen verstummt.
    »Tut mir leid«, sagt sie. »Ich dachte nur …«
    »Verdammt, Len, Sie sollten das doch wissen! Wollen Sie ihn etwa verscheuchen? Wollen Sie, dass er in die verdammte Stratosphäre geblasen wird, wenn das Ding hochgeht?«
    »Es tut mir leid.« Als er nichts erwidert, fügt sie hinzu: »Ich glaube nicht, dass er hier draußen ist. Auf dem Echolot …«
    »Das Echolot nützt nicht das Geringste, wenn er sich dicht am Meeresboden aufhält.«
    »Mike, Sie werden ihn nicht finden, indem Sie hier in der Dunkelheit herumtasten. So weit draußen sind wir völlig blind.«
    Eine Welle aus Klicklauten von einer Echolotpistole streicht über ihr Gesicht hinweg. »Ich habe das für die nähere Umgebung«, sagt die Apparatur in Branders Kehle.
    »Ich glaube nicht, dass er hier draußen ist«, wiederholt Clarke. »Und selbst wenn, bezweifle ich, dass er Sie in seine Nähe lassen wird, nach allem, was

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