Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts

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Sessels. Von ihrem Platz im Aufenthaltsraum aus kann sie die Kommunikationszentrale sehen. Hin und wieder flackern die Kontrollleuchten auf, sonst liegt der Raum im Dunkeln. Für Clarke reicht es aus. Ihre Augenkappen begnügen sich mit den wenigen Photonen und lassen den Raum in Zwielicht getaucht erscheinen. Seit die anderen gegangen sind, hat sie die Kommunikationszentrale nicht mehr betreten. Sie hat nicht zugesehen, wie ihre Icons zum Rand des Bildschirms davongekrochen sind, und sie hat auch nicht die Riftzone nach Zeichen von Gerry Fischer abgesucht.
    Das hat sie auch jetzt nicht vor. Sie weiß nicht, ob sie überhaupt jemals die Absicht hatte.
    In der Ferne ist Lubins einsame Windharfe zu hören.
    Ein Scheppern. Unter ihr.
    Nein. Verschwindet. Lasst mich in Ruhe .
    Sie hört, wie das Wasser aus der Luftschleuse entweicht und die Luke geöffnet wird. Drei leise Schritte. Eine Bewegung an der Leiter.
    Ken Lubin kommt wie ein Schatten in den Aufenthaltsraum heraufgestiegen.
    »Mike und Alice?«, fragt sie und fürchtet sich vor der Antwort.
    »Schwimmen weiter. Ich habe ihnen gesagt, dass ich sie einholen werde.«
    »Wir entfernen uns ziemlich weit voneinander«, stellt sie fest.
    »Ich glaube, Brander hatte nichts dagegen, mich eine Weile los zu sein.«
    Sie lächelt schwach.
    »Sie kommen nicht mit«, sagt er.
    Clarke schüttelt den Kopf. »Versuchen Sie nicht …«
    »Das werde ich nicht.«
    Er nimmt in einem der Sessel Platz, während sie ihn beobachtet. Wie stets bewegt er sich mit beherrschter Anmut. So als fürchte er, etwas kaputtzumachen.
    »Ich habe mir schon gedacht, dass Sie das tun würden«, sagt er nach einer Weile.
    »Es tut mir leid. Ich habe es selbst nicht gewusst, bis …«
    Er wartet darauf, dass sie weiterspricht.
    »Ich will wissen, was hier vor sich geht«, sagt sie schließlich. »Vielleicht hat die NB uns ja dieses Mal tatsächlich die Wahrheit gesagt. Das ist gar nicht so abwegig. Womöglich ist die Lage doch nicht so schlimm, wie wir dachten …«
    Lubin scheint darüber nachzudenken. »Was ist mit Fischer? Soll ich …«
    Sie lacht kurz auf. »Fischer? Wollen Sie ihn wirklich tagelang durch den Schlamm hinter sich her zerren, um ihn dann an irgendeiner verdammten Küste an Land zu holen, wo er sich nicht einmal aufrichten kann, ohne sich beide Beine zu brechen? Vielleicht würde Mike sich dann besser fühlen. Aber für Gerry wäre es ganz gewiss kein Akt der Nächstenliebe.«
    Und für Lenie Clarke genauso wenig, das weiß sie jetzt. Sie hat sich die ganze Zeit über etwas vorgemacht. Sie hat gespürt, wie sie stärker geworden ist, und geglaubt, dass sie diese Gabe einfach an einen anderen Ort mitnehmen könnte. Sie hat geglaubt, die Channer-Quelle mit sich herumtragen zu können wie eine neue Zahnprothese.
    Aber jetzt. Jetzt kehrt schon bei dem Gedanken, die Riftzone zu verlassen, ihre alte Schwäche zurück. Die Zukunft öffnet sich vor ihr, und sie spürt, wie sie sich zurückentwickelt und sich zusammenrollt – einer weichen Kaulquappe gleich, die noch nicht zu einem Menschen herangewachsen ist, verfolgt von der Erinnerung daran, wie es gewesen ist, hart wie Stahl zu sein.
    Das bin nicht ich. Bin es nie gewesen. Das war nur die Riftzone, die mich benutzt hat …
    »Anscheinend habe ich mich wohl doch nicht so sehr verändert«, sagt sie schließlich.
    Lubin sieht beinahe aus, als würde er lächeln.
    Sein Gesichtsausdruck weckt eine unbestimmte, wütende Ungeduld in ihr. »Warum sind Sie eigentlich hierher zurückgekehrt?« , fragt sie. »Sie hat doch noch nie interessiert, was wir anderen getan haben, oder warum. Sie haben immer nur Ihre eigenen Ziele verfolgt, worin die auch bestehen …«
    Ein Klicken ertönt. Lubins geisterhaftes Lächeln verschwindet.
    »Sie wissen es«, sagt Clarke. »Sie wissen, was hier vor sich geht.«
    »Nein.«
    »Unsinn, Ken. Mike hat recht gehabt, Sie wissen viel zu viel. Sie wussten genau, welche Fragen Sie den Landratten über den Prozessor in dieser Bombe stellen mussten, und wie viele Megatonnen man braucht, um eine Blase von einem bestimmten Durchmesser zu erzeugen. Also, was geschieht hier?«
    »Ich weiß es nicht. Ehrlich.« Lubin schüttelt den Kopf. »Ich besitze gewisse … Kenntnisse über bestimmte Dinge. Aber warum sollte Sie das überraschen? Glauben Sie wirklich, Gewalttätigkeit sei die einzige Möglichkeit, sich für diesen Job zu qualifizieren?«
    Zwischen ihnen breitet sich Schweigen aus. »Ich glaube Ihnen nicht«, sagt Clarke