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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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große Hilfe gewesen wären«, fügt sie hinzu.
    »Danke …«
    »Ich habe nichts weiter getan. Im Grunde habe ich Sie nur hier hereingetragen.«
    Er möchte sie so gern berühren.
    »Was ist nur los mit Ihnen, Fischer?«, fragt sie nach einer Weile. »Warum wehren Sie sich nicht?«
    »Das hätte keinen Zweck.«
    »Machen Sie Witze? Wissen Sie eigentlich, wie groß Sie sind? Sie könnten Brander in Stücke reißen, wenn Sie ihm nur die Stirn bieten würden.«
    Schatten sagt, dadurch wird alles nur noch schlimmer. Wenn man sich wehrt, macht sie das nur noch wütender.
    »Schatten?«, sagt Lenie.
    »Was?«
    »Sie haben gesagt …«
    »Ich habe gar nichts gesagt …«
    Sie mustert ihn einen Moment lang.
    »Also gut«, sagt sie schließlich und erhebt sich. »Ich rufe bei der Chefetage an und fordere Ersatz an.«
    »Nein. Ist schon in Ordnung.«
    »Sie sind verletzt, Fischer.«
    Lerneinheiten zum Thema Medizin spuken in seinem Kopf herum. »Wir haben unten einiges an Ausrüstung.«
    »Trotzdem werden Sie mindestens eine Woche lang nicht einsatzbereit sein. Und es wird noch einmal doppelt so lange dauern, bis Sie vollständig geheilt sind.«
    »Mögliche Unfälle wurden bei der Aufstellung der Arbeitspläne mit einkalkuliert.«
    »Und wie wollen Sie sich so lange von Brander fernhalten?«
    »Ich werde noch mehr Zeit draußen verbringen«, sagt er. »Bitte, Lenie.«
    Sie schüttelt den Kopf. »Sie sind verrückt, Fischer.« Sie dreht sich zur Kabinenluke um und öffnet sie. »Das geht mich natürlich nichts an. Ich glaube nur nicht …«
    Sie dreht sich noch einmal um.
    »Gefällt es Ihnen hier unten?«, fragt sie.
    »Wie bitte?«
    »Gibt es Ihnen einen Kick, hier unten zu sein?«
    Eigentlich eine dumme Frage. Besonders jetzt. Aber vielleicht auch nicht.
    »Irgendwie schon«, sagt er schließlich, als es ihm zum ersten Mal bewusst wird.
    Sie nickt und blinzelt über ihren weißen Augen. »Dopaminrausch.«
    »Dopa…?«
    »Es heißt, man kann davon abhängig werden. Hier unten zu sein. Ständig … Angst zu haben, denke ich.« Sie lächelt schwach. »Das habe ich jedenfalls gehört.«
    Fischer denkt darüber nach. »Es gibt mir nicht unbedingt einen Kick. Es ist eher so, dass ich mich daran gewöhnt habe. Verstehen Sie?«
    »Ja.« Sie dreht sich um und drückt die Luke auf. »Nur zu gut.«

    Von der Decke der Krankenstation hängt kopfüber eine Gottesanbeterin. Sie ist etwa einen Meter lang und mit schwarzem Chrom verkleidet. Seit Fischers Ankunft hat sie dort oben geschlafen.
    Jetzt senkt sie sich auf sein Gesicht herab, ihre Arme mit den vielen Gelenken tanzen klickend auf und nieder wie verrückte, bewegliche Essstäbchen. Hin und wieder leuchtet einer ihrer Fühler rot auf, und Fischer kann den Geruch seines eigenen Fleisches riechen, das kauterisiert wird. Irgendwie beunruhigt ihn das. Schlimmer noch, er kann seinen Kopf nicht bewegen. Das Neuroinduktionsfeld im Tisch der Krankenstation hat ihn vom Hals aufwärts gelähmt. Er fragt sich, was passieren würde, wenn die Maschine abrutschen würde. Wenn sich diese lähmende Energie aus Versehen auf seine Lunge richten würde. Oder auf sein Herz.
    Die Gottesanbeterin hält mitten in der Bewegung inne, ihre Fühler zittern. Einige Sekunden lang steht sie vollkommen still. »Hallo … ähm … Gerry, nicht wahr?«, sagt sie schließlich. »Ich bin Dr. Troyka.«
    Sie klingt wie eine Frau.
    »Wie geht es voran?«, will Fischer fragen, doch sein Kopf und sein Hals sind immer noch betäubt. »Nein, versuchen Sie nicht zu antworten«, sagt die Gottesanbeterin. »Das war eine rein rhetorische Frage. Ich überprüfe jetzt Ihre Werte.«
    Fischer erinnert sich: Die medizinische Ausrüstung kann nicht alles allein machen. Manchmal, wenn etwas zu kompliziert wird, stellt sie eine Verbindung zu einem menschlichen Arzt her.
    »Wow«, sagt die Gottesanbeterin. »Was ist mit Ihnen passiert? Nein, auch darauf müssen Sie nicht antworten. Ich will es gar nicht wissen.« Ein zusätzlicher Arm erscheint und wandert vor Fischers Augen hin und her. »Ich werde das Betäubungsfeld einen Moment lang aufheben. Es kann ein wenig wehtun. Versuchen Sie, sich trotzdem nicht zu bewegen, außer um meine Fragen zu beantworten.«
    Schmerz durchströmt Fischers Gesicht, doch er ist nicht sonderlich schlimm. Fast ein wenig vertraut. Seine Augenlider fühlen sich rau an, und seine Zunge ist trocken. Er versucht zu blinzeln, und es gelingt ihm. Er schließt den Mund und fährt sich mit der Zunge von innen

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