Abgrund: Roman (German Edition)
hören ist. »Er ist schon zu sehr durch den Wind, er ist …«
Auch Clarke dreht ihren Stimmwandler leiser. »Seien Sie still, Judy.« Und dann wieder lauter: »Was sagen Sie dazu, Fischer? Wollen Sie nicht was für Ihren Unterhalt tun?«
Zögernd kehrt er ins Licht zurück, wie ein wildes Tier, das von dem Versprechen auf Futter angelockt wird. Aus der Nähe kann Clarke das Zucken seines Kiefers unter der Kapuze wahrnehmen. Die Bewegungen sind ruckartig und ungleichmäßig, als würde er sie gerade erst erlernen.
Schließlich kommt ein Geräusch heraus: »Oh… kay …«
Caraco schwimmt zurück und holt ihre Ausrüstung. Clarke reicht Fischer einen Kratzer. Nach einer Weile nimmt er ihn ihr ungeschickt aus der Hand und folgt ihnen zu Nummer fünf.
»Genau wwie«, erklingt seine surrende Stimme, »in alten Zzzeiten.«
Caraco wirft Clarke einen Blick zu, doch Clarke schweigt.
Am Ende der Schicht blickt sie sich um. »Fischer?«
Caracos Kopf taucht aus einer Einstiegsröhre auf. »Ist er weg?«
»Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
Aus Caracos Stimmwandler dringt ein Klicken; die Maschine hat Schwierigkeiten, den Ausdruck »hmmm« zu übersetzen. »Vielleicht vor einer halben Stunde.«
Clarke dreht ihren Stimmwandler hoch. »He, Fischer! Sind Sie noch hier?«
Keine Antwort.
»Fischer, wir kehren gleich in die Station zurück. Wenn Sie mitkommen wollen …«
Caraco schüttelt bloß den Kopf.
Schatten
Es ist ein Albtraum.
Überall ist Licht, das ihn schmerzhaft blendet. Er kann sich kaum bewegen. Alles hat so harte Kanten, und überall wo er hinschaut, sind die Gegenstände viel zu scharf umrissen. Mit den Geräuschen ist es das Gleiche – ob Scheppern oder Rufen, jedes Geräusch ist ein Schmerzensschrei. Er weiß kaum, wo er sich befindet oder warum er hier ist.
Er ertrinkt.
»ÖFFFFNEEEENSSSSIESEINNNNEMUUUUNNNNDKLAA-AAPPPPEEE…«
Die Schläuche in seiner Brust saugen Leere an. Seine restlichen Eingeweide wollen sich aufblasen, doch da ist nichts, mit dem sie sich füllen könnten. Voller Furcht schlägt er um sich. Irgendetwas gibt mit einem Knacken nach. In irgendeinem entfernten Körperglied wallt plötzlich Schmerz auf und durchflutet kurz darauf seinen Körper. Er versucht zu schreien, doch er bringt nichts heraus.
»SEINNNNEMUUUUNNNNDKLAPPPEVERDDDDAMMMMMT-NOCHMMMMALERERSTIIIICKTTTTSONNNNSTTTT…«
Jemand zieht ihm einen Teil seines Gesichts ab. Seine Eingeweide füllen sich mit einem Mal, zwar nicht mit der kalten Salzlösung, die er gewohnt ist, doch er fühlt sich trotzdem besser. Das Brennen in seiner Brust lässt nach.
»SIEMMMMACHENNNNVERRDAMMMMTNOCHMMMMALEINENNNNGROSSSSSENFEHLERRRR…«
Er spürt einen Druck, schmerzhaft und ungleichmäßig. Etwas hält ihn fest, hebt ihn hoch, stößt gegen ihn. Ein ohrenbetäubendes Getöse.
Er erinnert sich an ein Geräusch …
– Schwerkraft –
… das das Getöse bezeichnet, aber er weiß nicht, was es bedeutet. Und dann dreht sich alles um ihn, und alles kommt ihm vertraut und schrecklich vor, abgesehen von einem Gesicht, auf das er einen kurzen Blick erhascht und das ihn irgendwie beruhigt …
Schatten?
… und dann ist die Schwere verschwunden, der Druck ist verschwunden. Eiswasser strömt beruhigend in seine Eingeweide, während er gemeinsam mit ihr wieder hinauskatapultiert wird, dorthin, wo sie vor Jahren gewesen ist …
Sie zeigt ihm, wie man das macht. Nachdem das Geschrei verstummt ist, kommt sie in sein Zimmer geschlichen, kriecht zu ihm unter die Decke und beginnt seinen Penis zu streicheln.
»Papa hat gesagt, so macht man das, wenn man jemanden wirklich liebt«, flüstert sie. Und das macht ihm Angst, denn eigentlich mögen sie einander nicht besonders. Er will nur, dass sie weggeht und sie alle in Ruhe lässt.
»Verschwinde. Ich hasse dich«, sagt er, doch er wagt nicht, sich zu rühren.
»Ist schon in Ordnung, dann brauchst du es auch nicht bei mir zu machen.« Sie versucht zu lachen und so zu tun, als sei alles nur ein Scherz.
Und während ihre Finger immer noch seinen Penis streicheln, sagt sie: »Warum bist du immer so gemein zu mir?«
»Ich bin nicht gemein.«
»Doch, bist du.«
»Du solltest eigentlich nicht hier sein.«
»Können wir nicht einfach Freunde sein?« Sie reibt sich an ihm. »Ich kann dir das so oft machen, wie du willst …«
»Geh weg. Du kannst nicht hierbleiben.«
»Vielleicht doch. Wenn alles gut geht, haben sie gesagt. Aber wir müssen uns vertragen, sonst schicken sie mich
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