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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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zurück …«
    »Gut.«
    Sie hat jetzt angefangen zu weinen und reibt sich so heftig an ihm, dass das ganze Bett wackelt: »Bitte, warum kannst du mich nicht mögen? Bitte, ich mache alles, was du willst. Ich lasse dich sogar …«
    Doch er findet nie heraus, was sie ihn hätte machen lassen, denn in diesem Moment wird die Tür aufgerissen, und an das, was danach passiert, kann sich Gerry Fischer nicht mehr erinnern.
    Schatten, es tut mir so leid …
    Doch jetzt ist sie wieder bei ihm, in der Kälte und der Dunkelheit, wo er in Sicherheit ist. Jedenfalls meistens. Beebe ist ein trübes graues Leuchten in der Ferne. Sie schwebt vor diesem Hintergrund wie ein schwarzer Scherenschnitt aus Pappe.
    »Schatten …« Das ist nicht seine Stimme.
    »Nein.« Und auch nicht ihre. »Lenie.«
    »Lenie …«
    Zwei Halbmondsicheln, dünn wie Fingernägel, spiegeln sich in ihren Augen. Selbst zweidimensional betrachtet ist sie wunderschön.
    Aus ihrer Kehle dringen verstümmelte Worte: »Wissen Sie, wer ich bin? Können Sie mich verstehen?«
    Er nickt und fragt sich dann, ob sie es sehen kann. »Ja.«
    »Sie sind … In letzter Zeit sind Sie irgendwie abgedriftet, Fischer. Als hätten Sie vergessen, wie es ist, ein Mensch zu sein.«
    Er versucht zu lachen, doch der Stimmwandler kann das Geräusch nicht wiedergeben. »Es geht mal besser, mal schlechter, glaube ich. Gerade bin ich jedenfalls … klar im Kopf. So sagt man das doch, oder?«
    »Sie hätten nicht hineinkommen sollen.« Die Maschine lässt ihre Worte vollkommen gefühlsleer klingen. »Er sagt, dass er Sie töten wird. Vielleicht sollten Sie ihm einfach aus dem Weg gehen.«
    »Gut«, sagt er und hofft, dass vielleicht tatsächlich alles gut werden könnte.
    »Ich kann Ihnen etwas zu essen herausbringen. Dagegen haben die anderen nichts.«
    »Schon gut. Ich kann … Fische fangen.«
    »Ich werde ein U-Boot rufen. Es kann Sie hier draußen auflesen.«
    »Nein. Ich kann auch selbst an die Oberfläche schwimmen, wenn ich will. Es ist nicht weit.«
    »Dann werde ich der Chefetage sagen, dass sie jemanden schicken sollen.«
    »Nein.«
    Einen Moment lang herrscht Schweigen. »Sie können nicht den ganzen Weg bis zum Festland schwimmen.«
    »Ich werde … noch eine Weile hier unten bleiben …«
    Ein leichtes Zittern durchläuft den Meeresboden.
    »Sind Sie sicher?«, fragt Lenie.
    »Ja.« Ihm tut der Arm weh, und er weiß nicht, warum.
    Sie dreht sich um. Einen Moment lang verschwinden die trüben Spiegelungen aus ihren Augen.
    »Es tut mir leid, Gerry.«
    »Schon gut.«
    Lenies Silhouette wendet sich wieder Beebe zu. »Ich sollte mich auf den Weg machen.«
    Doch sie geht noch nicht. Eine Weile herrscht Schweigen.
    Dann fragt sie: »Wer ist Schatten?«
    Wieder Schweigen.
    »Sie ist … eine Freundin von mir. Aus meiner Kindheit.«
    »Sie bedeutet Ihnen viel.« Es war keine Frage. »Möchten Sie, dass ich ihr eine Nachricht schicke?«
    »Sie ist tot«, sagt Fischer und wundert sich darüber, dass er es eigentlich die ganze Zeit über gewusst hat.
    »Oh.«
    »Ich habe es nicht so gemeint«, sagt er. »Aber sie hatte selbst Eltern, wissen Sie? Wozu brauchte sie meine ? Sie ist wieder dorthin zurückgegangen, wo sie hingehörte. Das ist alles.«
    »Wo sie hingehörte«, ertönt Lenies surrende Stimme, so leise, dass sie kaum zu hören ist.
    »Es ist nicht meine Schuld«, sagt er. Das Sprechen fällt ihm schwer. Früher ist es ihm nicht so schwergefallen.
    Jemand berührt ihn. Lenie. Ihre Hand liegt auf seinem Arm, und obwohl er weiß, dass das unmöglich ist, glaubt er durch die Taucherhaut hindurch die Wärme ihres Körpers zu spüren.
    »Gerry.«
    »Ja?«
    »Warum war sie nicht bei ihrer eigenen Familie?«
    »Sie hat gesagt, dass sie ihr weh getan haben. Das hat sie immer gesagt. So ist es ihr auch gelungen, sich bei uns einzuschleichen. Sie hat das nur als Ausrede benutzt, es hat immer funktioniert …«
    Nicht immer, erinnert ihn Schatten.
    »Und dann ist sie zu ihrer Familie zurückgekehrt«, murmelt Lenie.
    »Ich habe es nicht so gemeint.«
    Ein Laut dringt aus Lenies Stimmwandler, und er hat keine Ahnung, was er zu bedeuten hat. »Brander hat recht, nicht wahr? Dass Sie sich an kleinen Kindern vergreifen?«
    Irgendwie weiß er, dass sie ihn nicht anklagt. Sie will sich nur vergewissern.
    »So macht man das eben«, sagt er zu ihr. »Wenn man jemanden wirklich liebt.«
    »Ach, Gerry. Sie sind wirklich völlig im Arsch.«
    Ein leises Klicken hallt in der Maschinerie in seiner

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