Abgrund: Roman (German Edition)
klugerweise jeden Blickkontakt vermieden.
»Diese Datenbank ist völlig veraltet! Sie stecken uns monatelang in dieses verdammte dunkle Scheißloch hier unten und geben uns dann nicht einmal einen Netzzugang!«
Nakata breitet die Hände aus. »Das Netz ist infiziert«, sagt sie nervös. »Alle paar Monate schicken sie uns ein paar gesäuberte Downloads …«
»Das weiß ich, verdammt noch mal.« Actons Stimme ist plötzlich gefährlich ruhig. Nakata versteht den Wink mit dem Zaunpfahl und verstummt.
Acton steht auf. Der gesamte Raum scheint sich um ihn herum zusammenzuziehen. »Ich muss hier raus«, sagt er schließlich. Er macht einen Schritt auf die Leiter zu und blickt zu Clarke hinüber. »Kommst du mit?«
Sie schüttelt den Kopf.
»Wie du willst.«
Caraco vielleicht. Sie hat früher schon einige Annäherungsversuche unternommen.
Auch wenn Clarke nie darauf eingegangen ist. Aber die Lage hat sich verändert. Es gibt nicht mehr nur zwei Karl Actons. So war es früher einmal. All ihre Partner hatten zwei Gesichter. Es gab immer den Wirt, ein Gehäuse, dessen Gesicht und Name keine Rolle spielte, weil sie sich ohne Vorwarnung verändern konnten. Doch hinter den funkelnden Augenpaaren steckte stets das Ding im Innern, das immer gleich blieb und sich nie veränderte. Und ehrlich gesagt wüsste Lenie Clarke auch nicht, was sie tun sollte, wenn es sich jemals veränderte.
Doch jetzt gibt es da etwas Neues: Das Ding draußen . Bisher hat es zumindest noch keine Anzeichen von Gewalttätigkeit gezeigt. Es scheint jedoch einen Röntgenblick zu besitzen, was vielleicht noch schlimmer ist.
Lenie Clarke hat bisher immer mit dem Ding im Innern geschlafen. Bis jetzt hat sie stets geglaubt, sie hätte es in Ermangelung von Alternativen getan.
Sie klopft leise gegen Caracos Kabinenluke. »Judy? Sind Sie dort drin?« Eigentlich müsste sie es sein, denn sie ist nirgendwo sonst in der Station, und auch auf dem Echolot ist keine Spur von ihr zu sehen.
Keine Antwort.
Es kann warten.
Nein. Ich habe lange genug gewartet.
Was würde ich davon halten, wenn jemand …
Sie ist nicht wie ich .
Die Luke ist geschlossen, aber nicht verriegelt. Clarke schiebt sie ein paar Zentimeter auf und wirft einen Blick hinein.
Irgendwie ist es ihnen gelungen, es durchzuziehen. Alice Nakata und Judy Caraco liegen eng aneinandergeschmiegt in der winzigen Koje. Ihre Augen unter den geschlossenen Lidern zucken unruhig hin und her. Nakatas Traumerzeuger hält neben ihnen Wache, seine Ranken sind an ihre Körper geheftet.
Clarke schließt die Luke mit einem Zischen.
Ist sowieso eine blöde Idee gewesen. Was hätte sie mir schon sagen können?
Allerdings fragt sie sich, wie lange die beiden schon zusammen sind. Darauf war sie nicht vorbereitet gewesen.
»Ihr Freund ist nicht hier«, sagt Lubin über Sprechfunk. »Wir sollten eigentlich die Kühlflüssigkeit in Nummer sieben auffüllen.«
Clarke ruft die topographische Anzeige auf. »Wann hat Ihre Schicht angefangen?«
»Um vier Uhr.«
»Also gut.« Acton ist eine halbe Stunde zu spät dran. Das ist ungewöhnlich. In letzter Zeit gibt er sich größte Mühe, pünktlich zu sein – ein widerwilliges Entgegenkommen Clarke gegenüber und den Beziehungen innerhalb der Besatzung. »Auf dem Echolot kann ich ihn nicht finden«, meldet sie. »Es sei denn, er hält sich dicht am Meeresboden auf. Moment bitte.«
Sie steckt den Kopf durch die Luke der Kommunikationszentrale nach draußen. »He. Hat irgendjemand Karl gesehen?«
»Er ist vor einer Weile rausgegangen«, ruft Brander aus dem Schleusenraum herüber. »Wartungsarbeiten an Nummer sieben, glaube ich.«
Clarke öffnet wieder Lubins Kanal. »Er ist nicht hier. Brander sagt, er sei bereits rausgegangen. Ich halte weiter Ausschau.«
»Gut. Zumindest hat sein Totmannschalter keinen Alarm geschlagen.« Clarke kann nicht beurteilen, ob Lubin das gut oder schlecht findet.
Aus den Augenwinkeln nimmt sie eine Bewegung wahr. Sie blickt hoch; Nakata steht in der Luke zur Kommunikationszentrale.
»Haben Sie ihn gefunden?«, fragt sie.
Clarke schüttelt den Kopf.
»Kurz bevor er rausgegangen ist, war er in der Krankenstation«, sagt Nakata. »Er hatte seine Brust geöffnet, um ein paar Anpassungen vorzunehmen, wie er gesagt hat …«
Oh Gott.
»Er hat behauptet, dass die Geräte dadurch draußen besser funktionieren, aber er hat es nicht weiter erklärt. Er wollte es mir später zeigen. Vielleicht ist irgendwas schiefgegangen.«
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