Abiona - Das Bündnis (German Edition)
feurige Hitze von ihr aus.
»Tenkara, du bist Isibil, die Schöpferin des Wassers! Auf dich wartet ein Leben ohne Leid, ohne Tod und ohne Schmerz.«
Sie schüttelte erneut den Kopf und richtete ihre grünen Augen auf ihn. »Nein. Ich will ein Mensch werden und lernen, was es heißt… zu leben und zu lieben.«
Jack wagte nicht, sie anzusehen. Es fiel ihm so schon schwer genug, sie zum Abschied zu bewegen. So schaute er auf die Sonje in ihrer Hand.
»Solfajama hat uns davor gewarnt, was passieren könnte, wenn ihr zu Menschen würdet. Er sagte, es könnte sein, dass ihr keinen von uns wiedererkennt, oder dass das Böse in euch die Oberhand behält.
Ich will nicht, dass du dieses Leid erfahren musst. Du kannst es soviel besser haben! Kehre zurück, Tenkara. Dann weiß ich dich in Sicherheit geborgen. Dann weiß ich, dass du dich nicht vergisst! Dann kann das Böse dich nie wieder kriegen!«
»…so wie sonst immer«, konterte Tenkara freudlos und blickte zu Boden. Jack schüttelte den Kopf.
»Nein, das habe ich nicht gemeint. – Es ist eher…« Er suchte nach Worten und sah sie qualvoll an. »Du denkst, die menschliche Welt wäre voller Licht und Liebe! Aber das ist sie nicht. Sie ist der Kampfplatz der zwei Seiten. Hier führen Licht und Dunkelheit ihre Kriege aus! Hier muss man sich entscheiden, auf welcher Seite man steht und das ist manchmal gar nicht so einfach! Was wäre, wenn wir plötzlich auf unterschiedlichen Seiten ständen?«
Jetzt blickte sie auf und fixierte ihn schweigend. Ihre Hand wanderte zu seiner Wange und verweilte dort, während sie leise sagte: »Dann hättest du die Aufgabe, mich auf deine Seite zu ziehen.«
Jack schluckte und senkte den Blick. Sie hatte Recht. Es war nicht ihr Problem, ein Mensch zu werden. Es war seins. Er hatte Angst vor ihren Dunkelheiten und vor ihrem Licht, vor ihrem Leid und vor ihrer Liebe. Er hatte Angst sie zu verlieren an die Ungewissheit des Menschseins. Wie viel einfacher war es doch, sie einfach wegzuschicken. Sie im Licht geborgen zu wissen und ihr dadurch den Trost und die Sicherheit zu schenken, die es in seiner Welt selten gab.
Er blickte auf in ihre schönen Augen und nickte. Dann führte auch er seine Hand an ihre Wange und küsste sie leicht auf die Lippen. Sie fühlten sich heiß an und voller Leben.
Tenkara zuckte erschrocken zurück. »Ich bin noch kein Mensch!«, sagte sie ängstlich und ihre Hitze verstärkte sich.
»Es dient der Erinnerung, auf welche Seite du gehörst«, erwiderte Jack lächelnd. Er stand auf und zog sie zu sich hoch. Ohne Vorwarnung drückte sie sich an ihn und küsste ihn so leidenschaftlich, dass er sich vorstellen konnte, mit welcher Kraft sie einst Flüsse, Bäche und Seen erschaffen hatte. Als er sich schwer atmend und sehr erhitzt von ihr lösen konnte, lächelte sie ihn verstohlen an. »Ich dachte mir, sicher ist sicher«, sagte sie mit einem Glühen im Gesicht.
Jack legte den Arm um ihren heißen Körper und verkniff sich jeglichen Kommentar. Hatte er sie eben noch zurückschicken wollen? Es war undenkbar.
Robin wartete in einer Höhlenbuchtung auf dem Gang auf sie und als er sie eng umschlungen auf sich zukommen sah, grinste er schief. »Ihr habt lange gebraucht, um euch zu einer Entscheidung durchzuringen«, kommentierte er trocken. »Aber die scheint jetzt ja wohl felsenfest zu sein.«
Jack erwiderte sein Lächeln und löste sich von Tenkara. Von ihm aus konnte sein Bruder ihn nun aufziehen, soviel er wollte. Diese ersten Minuten des Glücks gehörten ganz allein ihm. Er wollte nicht darüber nachdenken, was danach kommen würde. Und von Vanderwal fehlte weiterhin jede Spur.
Entdeckung
Sie waren auf dem Weg zur Residenz, als die Dunkle Herrscherin stehenblieb und ihren Spiegel hervorholte. »Hätte uns dieser Quälgeist nicht wenigstens eine halbe Zeiteinheit gönnen können!« knurrte sie, als auf der spiegelnden Oberfläche das Gesicht von Ju Lissanto erschien.
»Was ist?«, fragte sie unfreundlich, während Abiona versuchte, nicht zu erleichtert zu wirken. Die Aussicht auf ein paar ungestörte Minuten mit der Dunklen Herrin, die einst mit dem Dämon in ihm verheiratet gewesen war, hatte ihn, gelinde gesagt, zu Tode erschreckt. Dennoch gingen seine Füße ohne sein willentliches Dazutun einige Schritte in Richtung Palastvorhof weiter, vielleicht weil der Dämon in ihm seiner Gattin das Gefühl geben wollte, ungestört sprechen zu können?
Ju Lissantos näselnde Stimme wehte nur bruchstückhaft
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