Abiona - Das Bündnis (German Edition)
dicken Eichenast direkt über ihm. Noch hatte sie den Menschen, der da am Stamm des Baumes gepresst lauerte, nicht entdeckt. Sie schien nur Augen für das Geschehen auf dem Vorplatz zu haben.
Dragon hörte auf zu atmen. Erneut stieg Übelkeit in ihm hoch. Er spürte, wie sein Bewusstsein abdriftete, erst in heiße Wellen fluteten Lichts und dann in kalte, feuchte Nebelgebiete. Der Stamm des Baumes war sein einziger Halt. In seinen Ohren begann es zu rauschen. Gleich würde er ohnmächtig werden. Und doch blieben die Stimmen, die ihn sonst immer warnten, stumm.
Die Gestalt über ihm raschelte mit ihren Flügeln und ein knorriger Zweig fiel herunter und streifte seine Wange. Im Mondschein, der durch das fast laublose Blätterdach schien, sah Dragon die Schatten ihrer Flügel tanzen. Dann hörte er ein dumpfes Surren, fühlte eine schwache Vibration und der Schatten über ihm verschwand im Nichts.
Dragon schauderte und verharrte viele Minuten lang am Baumstamm gelehnt. Er wartete, bis die Übelkeit sich gelegt hatte und sein Geist wieder ihm gehörte. Dann setzte er sich stolpernd in Bewegung. Doch nicht in Richtung Lichterstadt, denn dort hinter dem Eisernen Tor am Wegesrand lauerten womöglich Dämonische Heere, die zurückgelassen worden waren von der feurigkalten Herrscherin der Dunklen Welt. Er lief in Richtung Kathedrale zu der kleinen Gruppe Lichtarbeiter, die sich jetzt um die Stimme versammelten, die ihnen unerwartet Rettung gebracht hatte.
Brennende Steine
Kraftlos sackte Tenkara auf dem Boden zusammen und Torfun, der hinter ihr stand, griff ihr unter die Arme, um sie zu stützen.
»Lass mich, es geht zu Ende, ich weiß es. Nimm du die Sonjen. Vielleicht hast du Glück und deine ist dabei.«
Torfun verzog schmerzhaft das Gesicht und spürte ein Brennen in seiner Kehle, ähnlich dem, das Falfarevs Berührung bei ihm ausgelöst hatte. »Es ist die Wahrheit?«, fragte er schwach und kniete sich zu ihr auf den Boden.
»Ja«, antwortete sie mühsam. »Robin, Thuri und Jack waren in diesem Land…, sie leben. Ich musste sie am Fuß des Felsens zurücklassen. Ionason ist in der Blauen Mine, ...wusste nicht, ob er gefährlich werden könnte, ...ihr solltet bald nach ihnen sehen.«
»Pscht, sag nichts. Du hast dich überanstrengt. Verwandle dich, dann ist es einfacher«, unterbrach Torfun sie mit sanfter Stimme.
»Nein, will ein Mensch bleiben, solange...«
Sie verstummte und atmete schwer. Der Stein in ihrer Hand pulsierte nun orangefarben.
»Es ist der Lichtkern von Gea Mortan?«, fragte Torfun leiderfüllt und warf dem Stein einen verzagten Blick zu. Sie nickte und fing haltlos an zu zittern.
Selana, Kaisho, Falfarev und Vankoti sahen sie bekümmert an und wussten nicht, wie sie ihr helfen konnten. Shekowah aber bückte sich zu Tenkara hinunter, sah ihr in die flackernden Augen und befühlte vorsichtig ihre Stirn. Sie war so heiß wie eine Herdplatte.
»Wir bringen sie zur Lichtsäule. Vielleicht können wir den Prozess aufhalten. – Torfun nimm den Rucksack an dich, falls es den Dunklen einfällt zurück zu kommen.«
In seinen Armen glühte Tenkaras Körper unerträglich heiß und wog so wenig wie ein Kind. Doch Shekowah versuchte, sich den eigenen Schmerz nicht ansehen zu lassen. »Holt außerdem Decken, Essen und Medikamente. Wir werden das alles vielleicht brauchen.«
Selana und Kaisho nickten und entfernten sich rasch. Torfun nahm den Rucksack auf und folgte Shekowah. Auch er war schwächer geworden, doch sah man ihm die Erschöpfung lang nicht so an wie Tenkara, die nun die Augen geschlossen hatte und sich nicht mehr die Mühe machte, das Atmen der Menschen zu imitieren.
Falfarev entging Torfuns Schwäche nicht. Wortlos nahm er dem Freund den Rucksack ab, und dass dieser sich nicht dagegen wehrte, zeigte, wie schlecht es auch ihm ging. Korkoran hatte die Gestalt der Katze angenommen und humpelte kraftlos hinterher. Vankoti folgte der Prozession mit einigem Abstand. Er übermittelte Sylan, was geschehen war und erkundigte sich nach Abiona.
Da stolperte Dragon aus dem Wald und lief quer über den Vorplatz auf die Lichtarbeiter zu. »Was ist passiert? Kann ich helfen?«, fragte er atemlos, während seine Augen Tenkaras verblichenen Körper streiften. Vankoti ergriff seinen Arm und zog ihn beiseite. »Was machst du hier?«, fragte er schroff. »Hatten wir nicht vereinbart, dass du das Auge in Lichterstadt bewachst?«
»Es wird bewacht, sei unbesorgt. Ich dachte nur, ihr steckt vielleicht in
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