Abiona - Das Bündnis (German Edition)
Orten. Jetzt ist sie nicht passend und nicht wichtig. Wichtig ist nun Tenkaras Geschichte.«
Jacks Gesichtsausdruck erübrigte sich einer Antwort. Versteinert blieb er stehen und vor seinem inneren Auge erschien das Abbild jener Dämonin, der er vom ersten Augenblick an verfallen war. Doch war sie jetzt nicht mehr schön und stolz, wie er sie in Erinnerung hatte, sondern sie sah entkräftet und ausgelaugt aus, wie Torfun, der zu schwach gewesen war, ihm Rede und Antwort zu stehen. Er blickte Vankoti fest in die Augen und dieser nickte ernst.
»Wir sollten dir alles der Reihe nach erzählen. Noch ist nichts verloren«, mischte sich Selana ein. »Setz dich Jack. Heute Nacht ist einiges passiert. Und wir haben berechtigte Hoffnung, dass wir Tenkara noch retten können, auch wenn sich ihre Substanz aufgelöst hat.«
Jack schloss die Augen. Tenkara hatte sich also aufgelöst. Obwohl er diese Wahrheit gespürt hatte, seit er am Götterfelsen erwacht war, hatte er sie nicht in sein Inneres lassen wollen. Den ganzen Weg hatte er gegen diese Erkenntnis und den Schmerz, den sie mit sich brachte, angekämpft. Doch er hatte umsonst gekämpft. Sein Körper verkrampfte sich. Er hätte sie zurückschicken müssen! Zurück in ihr Land.
Er schluchzte auf und presste seine geschlossene Faust gegen die Stirn, in der es nun wieder hämmernd schmerzte. Eine Minute stand er so reglos da, nur gestützt von seiner Nichte, die beide Arme um ihn geschlungen hatte.
»Jack nicht. Es gibt Hoffnung! Ich habe ihren Geist vernommen, sie weilt noch unter uns!« Selana klopfte ihm auf die Schulter. »Vankoti wird dir alles erzählen. Ich muss leider zurück in meine Hütte. Denn dort liegt ein kleiner Quälgeist, der gefüttert und umsorgt werden will!«
»Korkoran!«, antwortete Sylan schlicht und lockerte den Griff um ihren Onkel ein wenig.
»Aber dazu später«, schaltete sich nun Vankoti ein und sah Jack ernst an. »Denn du musst erst einmal wissen, was gestern Nacht geschah, als wir Lichtarbeiter draußen standen und die Ankunft der Dämonen erwarteten…«
Jacks Blick wanderte zur Empore, wo die große Lichtsäule kraftvoll pulsierte und er schüttelte den Kopf. »Nein, warte noch, erzähl es mir gleich. Zuvor muss ich nach Abiona sehen…«
Vankoti nickte und Sylan führte Jack die Wendeltreppe hoch, während sich Selana auf den Weg zu ihrer Hütte machte.
Abiona lag in einer Nische der Empore auf einem provisorischen Lager. Ein niedriges Tischchen stand zu seiner rechten. Auf ihm waren etwas Brot und Mus, sowie ein Krug reinen Kristallwassers und ein Strauß frischer Gartenkräuter angerichtet. Daneben lag ein Schutzamulett, auf dem ein Baum abgebildet war. Eine kleinere Lichtsäule befand sich links neben seinem Lager; sie war mit einem dünnen Silberdraht, der in einer kleinen goldenen Scheibe mündete, mit seiner Stirn verbunden und leuchtete indigoblau. An seinem Fußende lagen mehrere Heilsteine, die das Leuchten der großen Lichtsäule matt widerspiegelten. Jack erinnerten die Steine an die Sonjen der Schöpfer und er musste widerwillig an Vanderwal denken. Dann spürte er Sylans Händedruck und sah ihre fragenden Augen auf sich gerichtet. »Ihr habt ihn gut umsorgt«, sagte er lächelnd. »Aber lass mich jetzt kurz mit ihm allein sprechen.«
Sylan nickte und schlich zurück zur Wendeltreppe, während Jack seinen Neffen musterte. Er starrte Löcher in die Luft und wirkte blass und leblos. Auch zeigte er mit keiner Miene, dass er Jack überhaupt wahrgenommen hatte.
»Es ist schön dich wiederzusehen, Wegbereiter«, grüßte Jack ihn leise. Als Abiona keine Rührung zeigte, hockte er sich zu ihm auf den Boden und nahm seine Hand in die Seine, wie er es vor Wochen getan hatte. Sie war eiskalt. »Abiona!«
Seine eigene Stimme klang müde und traurig, doch er rieb die Hand seines Neffen warm und bemühte sich, in diese einfache Geste seine ganze Liebe hineinzugeben. »Ich weiß, dass es schwer ist für dich«, begann er verhalten und spürte wieder Tränen in sich aufsteigen. »Aber ich muss dir erzählen, was ich herausgefunden habe über die Abs.«
Er schwieg und schaute Abiona in die glänzenden Augen, die immer noch blicklos in die Ferne starrten.
»Die Abs, also Tenkara, Korkoran, Torfun und all die anderen sind in Wirklichkeit gar keine Dämonen. Keiner von ihnen. Auch die Dunkle Herrscherin nicht. – Ich war in ihrem Land, in ihrer Welt, wo sie einst lebten. Es ist ein Land, wie man sich den Himmel nicht schöner
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