Abiona - Das Bündnis (German Edition)
irritiert. »Dann hätte ich eben beschämt sein müssen, dort auf der Toilette?«
Falfarev ärgerte sich, dass er schon wieder rot anlief und schüttelte unwirsch den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Denn erstens ist es unbedingt notwendig, dass du dir jetzt, wo du noch ein Neugeborener bist, auch bei diesen Dingen helfen lässt und zweitens kennen wir uns gut. Und umso näher du einem anderen Menschen stehst, desto weniger Scham empfindest du, zumindest ist es meistens so.«
»Aber du wurdest trotzdem rot, als du mir halfst den…«
»Torfun!«
»Entschuldigung, ich weiß es nicht besser. Wir können auch über etwas anderes reden.«
»Nein, du hast ja Recht; ich weiß nur nicht, ob ich der Richtige bin, dich in das menschliche Empfindungsbarometer einzuführen.«
»Aber du sagtest, wir ständen uns nahe, wir seien Freunde! Wer sonst sollte es mir erklären?«
Falfarev faltete die Hände. Er hatte sich die ersten Stunden mit Torfun schwierig vorgestellt, aber auf eine andere Weise schwierig, weil er nicht damit gerechnet hatte, dass Torfun sich zwar an ihre gemeinsame Zeit erinnern würde, aber in Bezug auf die eigenen Gefühle und Körperbedürfnisse so naiv war wie ein Kind.
Er selbst fühlte sich merkwürdig befangen. Er wollte seinen Freund nicht belügen und auch nicht beeinflussen. Gleichzeitig hatte er das unbedingte Anliegen, seine wahren Gefühle, die Torfun nicht oder noch nicht oder gar nicht erwidern konnte, für sich zu behalten. Er schüttelte mutlos den Kopf und wandte sich versuchshalber ab. Nach einigen kräftigen Atemzügen fühlte er sich besser und unternahm einen zweiten Erklärungsversuch.
»Du hast eine gute Beobachtungsgabe, Torfun, und du hast Recht. Ich wurde rot, als ich dir bei deinem Toilettengang helfen musste und in diesem Fall auch aus dem Grund, weil ich beschämt war. Das liegt daran, dass ich nicht zum Heiler ausgebildet wurde. Diese intimen, körperbezogenen Dinge sind für mich ungewohnt. Auch wenn wir Freunde sind. So vertraut sind wir noch nicht miteinander, dass es mir nichts ausmachen würde, dich…« Er schüttelte unwillig den Kopf und wandte sich wieder ab. »Versteh mich bitte nicht falsch. Es ist für mich sehr angenehm, mit dir zusammen zu sein. Andererseits ist es für mich aber auch schwer abzuschätzen, wie viel Nähe dir angenehm und für deine Entwicklung förderlich ist, und ab wann du diese Nähe als eine Verletzung deiner Intimsphäre empfindest. Ich mache das auch zum ersten Mal!«, schob er unwirsch nach und hoffte, Torfun mit seiner Antwort zufrieden gestellt zu haben.
Merkwürdigerweise lächelte dieser verschmitzt, fast so, wie wenn sich ein junger Mensch über die Aufklärungsversuche seiner Eltern amüsiert. Er zwinkerte dem Künstler zu und sagte verständnisvoll: »Fal, ich habe euch Menschen lange beobachtet. Ich weiß, dass es menschliche Bedürfnisse gibt, die oft in aller Abgeschiedenheit vor sich gehen und zwei Menschen auf eine intime Art und Weise miteinander verbinden.«
»Du sprichst davon, als wäre es ein Lexikoneintrag«, entgegnete Falfarev beinahe wütend. »Gar nichts weißt du über das, was es bedeutet für die Menschen.«
»Du könntest es mir zeigen!«
»Was?«
Falfarevs Stimme klang ungewohnt hoch, als er in Torfuns unbedachten Augen las, dass dieser nicht gescherzt hatte.
»Torfun, nein. Das ist ausgeschlossen! Du bist für mich ein Kind und weißt noch gar nicht, was du bist und willst! Ich bin nicht… die Regel, verstehst du? Es ist nicht der klassische Weg zur Vereinigung. Ach, was red‘ ich da! Ich meine, du solltest erst einmal andere Erfahrungen machen!«
»Ich bin also ein Kind«, fuhr Torfun dazwischen und klang plötzlich ebenfalls erbost. »Sehr schön. – Es ist interessant. Dieses Gefühl, das jetzt in mir drin ist, kannte ich noch nicht. Obwohl mein Körper mir keine Schmerzen bereitet, fühle ich mich dennoch gepeinigt! Wie kann man das bezeichnen?«
»Enttäuschung? Zurückweisung? Verletzter Stolz?«, sprudelte es aus Falfarev hervor.
»Du musst es wissen, ich bin nur ein Kind. Es spielt keine Rolle, dass ich nur ein Mensch geworden bin, weil ich so empfinden wollte wie du, weil ich verstehen wollte, warum die Menschen danach streben, sich zu verbinden, weil ich lernen wollte, was Licht und Liebe ist.«
»Du weißt, was Liebe ist, Torfun«, unterbrach Falfarev ihn unwirsch. »Doch jetzt verwechselst du Liebe mit körperlicher Vereinigung. Wenn beides zusammen kommt, ist das vielleicht eine der
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