Abiona - Das Bündnis (German Edition)
beschränkt. Viele Zweite hielten sich deshalb die meiste Zeit über im Nebel auf oder vergnügten sich damit, ihren Frust an Dritten und Vierten auszulassen. Es war jämmerlich.
»Wir betrauen Euch mit dieser Aufgabe nicht nur aus dem Grund, weil wir denken, dass Ihr sie vortrefflich meistern werdet. Es gibt da auch noch eine andere Sache, die uns beunruhigt.«
Ju Lissanto spitzte die Ohren. Diese Information konnte er womöglich gut für seine eigenen Pläne verwenden, die nicht unbedingt mit denen der Herrscherin konform gehen mussten.
»Ihr glaubt so wenig wie wir an diesen Schwachsinn, den meine Tochter und diese Rebellen da angezettelt haben! Doch wir spüren, dass es einige gibt, die diesen neuen Ideen durchaus Respekt zollen. Sie könnten bald abtrünnig werden. Auch aus diesem Grund ist es wichtig, dass wir die Spiegel verbieten. Sie sind das Tor zur Oberen Welt.«
»Ihr meint tatsächlich, dass es Vadoiten gibt, die Ten Karan folgen würden?«, fragte er ohne seine Abscheu zu verbergen und schaute sie fassungslos an. »Wer sollte diesem Schwachsinn Glauben schenken?«
»Ihr vergesst, dass nicht nur Ten Karan uns verlassen hat, sondern auch Abi Iona. Er hatte in der kurzen Zeit, die er hier war, bereits ein Ansehen erworben. Seit der Prüfung und dem Aufstieg in die Herrscherdynastie war er der Sohn Iona Sons, Thronfolger und Führungsanwärter. Nun ist er fort. Und trotz unserer Bemühungen, die Wahrheit um seine Flucht in die Obere Welt zu verheimlichen, werden immer mehr Stimmen laut, die sagen, Ten Karan und Abi Iona haben in der Menschenwelt ein neues Reich gegründet und jene, die verschwinden, werden von ihnen abgeholt oder gehen freiwillig.« Sie machte eine kurze Pause und schüttelte in jäher Verzweiflung den Kopf. »Unser Volk ist gespalten, Ju Lissanto. Um es wieder zu einen, müssen wir zusammenarbeiten.«
»Das ist es, was wir immer gesagt haben.«
»Seid Ihr dann auch bereit, mit uns zusammen den Nebel der Erkenntnis zu betreten? Es darf keine Geheimnisse mehr zwischen uns geben. Wir benötigen mehr als einen Diener, der sich wie eine Schlange vor den Speeren der Feinde windet! Wir brauchen einen Partner mit dem wir eins sind. Nur so können wir dem Verrat entgehen.«
Ju Lissanto schwieg. Er hatte sie eindeutig unterschätzt und gerade das löste in ihm ein spontanes Gefühl der Anerkennung aus. Sie hatte ihm soeben einen Platz an ihrer Seite angeboten. Er konnte ein Erster werden!
Gleichzeitig war er in einer misslichen Situation. Der Nebel würde seiner Herrscherin alles über offenbaren: Sein Gespräch mit Ten Karan, seine Gedanken, die Herrscherin vom Thron zu stürzen und sich der Tochter anzuschließen, seine Unzufriedenheit über ihre zögerlichen Handlungen und sein unstillbares Verlangen nach mehr Macht, Einfluss und Ansehen. Andererseits würde Gea Mortan auch seinen unumstößlichen Eifer sehen, seine Intelligenz und seine Führungsstärke. Und vielleicht würde es ihr gefallen. Er schaute auf und sah in ihre dunklen schönen Augen.
»Euer Angebot überwältigt uns, doch wir leugnen nicht, dass Ihr uns an Werten messt, die wir kaum zu erbringen vermögen. Wir haben Fehler begangen, die wir heute reuen und die sich Euch offenbaren werden, wenn wir uns vereinen.«
»Jeder von uns begeht Fehler!«, warf sie unwirsch ein. »Wir wissen mehr über Euch, als Ihr vielleicht ermessen könnt. Und dennoch erwählen wir Euch, denn das Bündnis muss stark sein! Stark wie unser Eifer, dieses Volk zu leiten. – Wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen, werden wir siegreich sein gegen die Macht, die sich uns nun offen entgegenstellt. Bedenkt unsere Worte Ju Lissanto und denkt an den Verrat dieser Rebellen.«
Er nickte besonnen und richtete sich auf. Was sie sagte, war durchaus schlüssig. Und hatte er eine Wahl? Wenn er sich ihr jetzt entgegenstellte, konnte er auch gleich offen zur Rebellion aufrufen. Doch wer würde sich ihm anschließen? Er verfolgte das gleiche Ziel wie seine Herrin und das würde das Band sein, das sie zusammenhielt. Außerdem würde er einen Einblick in das unendliche Wissen erlangen, das nur den Ersten vorbehalten war. Er würde den großen Spiegel beherrschen können und Macht haben über jeden Zweiten dieser Welt. Und wenn es ihnen gelang, die Welt der Menschen zu erobern, dann würde er nach seinen Vorstellungen und Wünschen herrschen. Er sah sie entschlossen an.
»Es bedarf großer Worte, um die Kostbarkeit Eures Angebotes zu würdigen. Wir stehen tief
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