Abiona - Das Bündnis (German Edition)
brachte er kein Wort heraus. Torfun jedoch lächelte plötzlich.
»Es ist merkwürdig«, sagte er, »ich verstehe nun die Worte des Liedes aus meiner Vision. Doch sie ergeben keinen Sinn.«
»Kannst du sie übersetzen?«, fragte Falfarev und studierte das Gesicht des Dämons mit neu erwachter Hoffnung. Doch woher sollte sie kommen, in dieser sternlosen Nacht, die kein Ende zu nehmen schien?
Torfun lächelte immer noch. »Es klingt nach einer Prophezeiung, doch mit so etwas kenne ich mich nicht gut aus.« Er schloss die Augen und rezitierte:
»Die Götter werden durch die Pforte steigen
Und die erwecken, die gereinigt wurden
Im Feuer der Läuterung.
Und sie werden Euch die nehmen,
Die Ihr behütet habt,
Tag und Nacht und Nacht und Tag.
Doch die Tränen des Abschieds, die Ihr weint,
Werden versiegen im Angesicht neuen Lebens,
Das geschenkt wird denen, die geliebt.«
Falfarevs Augen hingen an Torfuns Lippen und er nahm jedes Wort begierig auf, so als wäre es der Nektar, der ihn jetzt am Leben erhielt. Er bemühte sich nicht, den Sinn der Worte zu erfassen, doch er spürte wie die Trauer, die auf seinem Herzen lastete, langsam wich und er wieder freier atmen konnte. Aber vielleicht lag das auch daran, weil er Torfun immer noch lächeln sah und das Gesicht des Freundes in dem schimmernden Licht der Kristalle weich leuchtete. Jetzt erwiderte er Falfarevs Blick und sein Lächeln wurde breiter. »Du siehst besser aus«, sagte er gut gelaunt. »Ich habe schon angefangen, mir Sorgen zu machen.«
Falfarev versuchte sein Lächeln zu erwidern, doch das fiel ihm schwer. »Deine Worte haben mir Hoffnung gegeben«, sagte er knapp und wandte sich einem der Granitsteine zu, die den Platz säumten. »Ich meine, nicht, dass ich die Prophezeiung verstehen würde, aber die einzelnen Worte sind irgendwie ermutigend. Tränen versiegen, neues Leben wird geschenkt…, findest du nicht?«
Er hob den Kopf, um Torfuns Gesichtsausdruck zu studieren. Doch das Lächeln des Dämons war verschwunden. In sich gekehrt stand er am Rande des Platzes und schien plötzlich so verloren. Falfarev durchzuckte ein innerer Schmerz, der so heftig war, dass der Hoffnungsschimmer verblasste.
»Geh jetzt«, sagte der Diener sehr leise.
»Nein«, hauchte Falfarev.
»Du sollst gehen!«, sagte Torfun noch einmal und seine Stimme klang trotz der Hitze, die sich plötzlich auf dem Platz ausbreitete, eisig. Falfarev ignorierte es.
»Ich habe dir versprochen, dich nicht in mich aufzunehmen und dazu werde ich stehen«, sagte er langsam, »aber«, fügte er hinzu, als Torfun geräuschvoll ausatmete, »ich kann dich nicht allein lassen. – Jetzt nicht und auch am Ende nicht.« Er sah den Dämon eindringlich an und näherte sich ihm langsam.
»Wenn du mir schon genommen wirst, wie es in der Prophezeiung heißt, werde ich dich auch behüten bei Tag und bei Nacht. – Du kannst nicht von mir erwarten, dass ich die Worte einer Prophezeiung ignoriere, sonst bin ich nachher noch Schuld, wenn irgendetwas schief geht!«
Torfun schüttelte den Kopf und knurrte etwas, das wie Menschenlogik klang.
Falfarev trat dichter an ihn heran. »Daran solltest du dich besser gewöhnen.«
Torfun lachte verhalten. Doch dann verstummte er plötzlich und sah Falfarev unsicher an. Schließlich räusperte er sich und sagte mit belegter Stimme: »Ich habe dies noch nie gemacht, Fal und ich habe keine Erfahrung darin, also verzeih, wenn ich es falsch mache.«
Jetzt war es Falfarev, der ihn fragend ansah.
»Doch ich weiß, dass dies unter euch Menschen ein Zeichen der Wertschätzung und der Vertrautheit ist. Deshalb möchte ich es versuchen, da ich dir diese Wertschätzung entgegen bringen will«, führte er weiter aus und hob die Hand, um sie auf Falfarevs Wange zu legen.
Sofort spürte Falfarev eine innere Hitze in sich aufsteigen, die nur bedingt etwas mit der Wärme des Dämons zu tun hatte. Er erstarrte. Bewegen konnte und wollte er sich nicht mehr. Er schloss die Augen.
Torfun beugte sich langsam zu ihm herüber und hauchte ihm einen sanften Kuss auf die Wange.
In Falfarev explodierte etwas. Ein Feuerwerk an Farben, Gerüchen und Tönen, die wie ein ekstatischer Wirbelsturm sein Bewusstsein streiften. Sein Atem beschleunigte sich. Er wankte erneut, doch Torfun hatte sich schon wieder von ihm gelöst.
»Habe ich was falsch gemacht?«, fragte der Dämon erschrocken.
»Nein«, antwortete Falfarev immer noch betäubt von dem inneren Sprühen, das nicht
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