Abiona - Das Bündnis (German Edition)
erlöschen wollte. Er öffnete die Augen und lächelte den erschrockenen Dämon an. »Rühr dich nicht. Jetzt bist du dran.«
Torfun schien widersprechen zu wollen Doch Falfarev kannte die Worte, die er sagen musste, um ihn zu gewinnen. Es war ganz leicht. »Schenken und empfangen… ein Gesetz der Oberen Welt. Du solltest es beherzigen.«
Der Schwindel verstärkte sich, doch Falfarev hielt sich an Torfun fest und spürte die gewohnte Hitze in dem Dämon aufsteigen, doch es war ihm egal. Langsam führte er seine kühlen Lippen an die glühende Wange des Dämons und berührte sie.
Dann war er woanders. Ein zuckender Lichtblitz durchfuhr ihn und er sah, dass die Farben, Formen und Töne in seinem Kopf verblassten. Dann ordnete sich das Chaos wie durch Zauberhand und zurück blieb ein Bild, das ihn überwältigte. Ein Bild von einem Land, das er sich nicht schöner und prächtiger vorstellen konnte, ein Land ohne Elend, Leid und Tod. Ein fruchtbares Land, das vor Freude und Glückseligkeit sprühte.
Dann war die Vision vorbei. Sein Kopf gehörte wieder ihm selbst und der Schwindel hörte auf. Er spürte seinen Körper, der fest an den Torfuns gedrückt war, nahm die Hitze wahr, die ihm den Schweiß auf die Stirn getrieben hatte, roch den vertrauten Geruch des Dämons.
Langsam löste er sich von ihm. Torfun stand wie erstarrt da, die Augen geschlossen, die Hände zu Fäusten geballt.
»Habe ich etwas falsch gemacht?«, flüsterte Falfarev und trat einen Schritt zurück.
Torfun brauchte eine Weile, um seine Spannung zu lösen und die Augen langsam zu öffnen. Doch sah er Falfarev nicht an. Sein Blick wanderte zum Himmel, wo jetzt sanfter Regen eingesetzt hatte. Die Tropfen verdampften an Torfuns heißen Körper und hüllten ihn in leichten Nebel.
»Torfun?« Falfarevs Stimme klang jetzt angespannt. Er wollte wissen, was der Dämon gesehen oder empfunden hatte. Doch der Dämon antwortete nicht und der Nebel wurde dichter.
»Torfun, was ist los?«, fragte Falfarev jetzt sichtlich besorgt und griff in den Nebel. Doch da war nichts. Nichts. Nur eine schwindende Erinnerung.
Totenglocke
Die Totenglocke tönte feuchtkalt wie der Tod selbst über dem ausgestorbenen Tempelbezirk. Die Kathedrale und die Stätten der Wissenschaft, das Heilerzentrum und der Baumkern lagen still und verlassen da und keine Menschenseele zeigte sich auf den engen Gassen des Heilerviertels oder in den Gärten der Verlorenen Seelen. Die letzten fünf Diener des Tempels schlossen das Eiserne Tor, und einer sprach mit zitternder Stimme einen Vers über die rostige Kette, an der ein silbernes Schutzamulett in Form eines Engelflügels baumelte.
»Wir sperren sie ein wie Banditen«, entfuhr es Dragon betroffen und er schluckte trocken, wobei sein Blick den Glockenturm streifte, der sein einsames Lied in dieser wolkenverhangenen Nacht wohl zum letzten Mal zum Besten gab. »Shekowah hätte anders entschieden. Die Wachen der Stadt müssten hier patrouillieren und die Armeen Gentolas sollten aufmarschieren! Jeder Bürger von Lichterstadt, der Pfeil und Bogen oder ein Schwert zu führen weiß, hätte die Pflicht, das Leben der Lichtarbeiter und sein eigenes zu verteidigen bis in die letzte Seelensubstanz!«
»Diese Art von Waffen nützen hier nichts«, widersprach ihm Akonta, die Hüterin des Heiligen Feuers kopfschüttelnd. »Und wenn die Ausgeburten der Hölle tatsächlich in weniger als zwei Stunden diese Mauern durchteilen, mit Schwertern aus Lavagestein und Amuletten aus Asche und Gebein, dann wirst du froh sein, wenn sie dich in den Ruinen von Tel Naiir vergeblich suchen.«
Dragon nickte gedankenverloren. Der geheimnisvolle Freund Falfarevs, der sich Torfun nannte, hatte ihm den Hinweis auf dieses Versteck gegeben und ihn gebeten, so viele Menschen wie möglich dorthin zu geleiten, sollte der Krieg sich ausbreiten und eine Verteidigung durch die Lichtarbeiter scheitern.
Dragons Blick wanderte weiter zum Novizengebäude. Nur wenige Auszubildene hatten sie evakuieren müssen. Die meisten von ihnen waren bereits letzte Woche abgereist. Doch jene, die nun im Schulungsgebäude nahe des Alten Museums untergebracht waren, würden nicht über die Gerüchte schweigen, die sie sich unterwegs flüsternd zusammengesponnen hatten; Gerüchte, die im Zusammenhang standen mit Hanriks plötzlichem Tod, Shekowahs Auflösung des Rates und dem Beschluss Selanas, den Tempelbezirk zu evakuieren und niemandem zu gestatten, der Totenzeremonie eines der bekanntesten
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